Die grandiose Idee mit dem Schmiss

Wie zu Kaisers Zeiten: Deutsche Offiziere wollen endlich wieder Säbel an ihren Uniformen tragen

Gerade am Hindukusch muss das Menschenrecht aufs Säbeltragen verteidigt werden

In Deutschland fehlt es an vielem: den Parteien an Visionen, dem Binnenmarkt an Konjunktur, dem Fußball an Klasse. Und auch dem Offizierskorps geht einer ab. 81 Zentimeter soll er lang sein und aus rostfreiem Solinger Edelstahl. Stecken soll er in einer Scheide aus poliertem Metall und auf der Parierstange diese Formel prangen: „Einigkeit – Recht – Freiheit“. Der deutsche „Offz“ will endlich wieder einen Säbel tragen.

Ihren eklatanten Mangel an Gehänge haben zuerst die Oberleutnants Manuel Schmidt, Ronald Röthling und Axel Schönborn entdeckt. „Anfang Oktober 2003“, berichtet Schönborn, „überlegte ich mir während eines Wachdienstes die Gründe für den Schwund an Offizieren während und nach dem Studium.“ Doch ehe jetzt der jungen Führungskraft ein Disziplinarverfahren angehängt wird: Schönborn meint ja gar nicht, dass der Schwundgrund auf seinem Mist gewachsen ist. Er kann nur nicht so recht Deutsch. Muss er auch nicht können, schließlich ist er beim Barras: „In dem Maße, wie unser Beruf sich von der Berufung entfernt, entfernen wir uns auch ein Stück von der Liebe zu unserem Beruf. Hier setzt die Idee des Säbels an.“ Denn der deutsche Tressenträger ist wie kein anderer dazu berufen, als Depp durch die Gegend zu laufen.

Die Situation ist für Bundeswehroffiziere seit langem unhaltbar. Ständig muss man sich von ausländischen Waffenkameraden dafür auslachen lassen, zwei Weltkriege verloren zu haben. Über Exverteidigungsminister Rudi „Hufeisen“ Scharping beömmelt sich bis heute die halbe Nato.

Und wenn es im Kasino zu heiteren Männlichkeitsritualen kommt, zieht der deutsche Offizier immer, immer, immer den Kürzesten. „Unser Ziel ist es“, krähen Schmidt, Röthling und Schönborn auf ihrer Website www.offiziersaebel.de, „dem deutschen Offizier wieder einen einheitlichen Säbel zur Verfügung zu stellen, um so in Zeiten zunehmender multinationaler Einsätze – der UN, der Nato oder etwa im Rahmen von ‚Enduring Freedom‘ – ein äußerlich sichtbares Symbol von Zugehörigkeit, Gleichberechtigung und Zusammengehörigkeit zu schaffen“.

Gerade am Hindukusch muss das Menschenrecht aufs Säbeltragen verteidigt werden – schließlich geht doch kein Afghane ohne sein sorgsam gepflegtes und immer wieder geschärftes langes Messer aus dem Haus. „Hier werden wir von unseren multinationalen Partnern oftmals nur belächelt“, klagt das Oberleutnanttrio.

Das Faible für Säbel breitet sich in der Truppe zügig aus. Ein Leutnant, der sich nur „C. S.“ nennt, schreibt den Schirmherren der schneidigen Initiative: „Bitte arbeiten Sie weiter mit Eifer so wie bisher, damit dieser Traum für die Offiziere der deutschen Bundeswehr Wirklichkeit wird.“ Und damit C. S. endlich selbstbewusst genug wird, sich einen richtigen, vollen Namen zuzulegen.

Gleichfalls bloß zu mickrigen Initialen reicht es derzeit bei Oberfähnrich S. K., der sich eine „verstärkte Identifikation mit unserem Beruf gemäß eines traditionsbewussten, soldatischen Berufsethos“ wünscht, bei Reserveleutnant W. L., der darauf brennt, „endlich wieder einen Säbel an (seiner) Seite zu tragen“, sowie bei Leutnant J., der „wie unsere Großväter und Urgroßväter“ nicht ohne scharfe Klinge vors Kanonenfutter treten möchte.

Obwohl das Verteidigungsministerium öffentliches Messerwetzen nicht gestattet – die „Anzugsordnung der Bundeswehr“ sehe „keinen Säbel vor“, ließ die Hardthöhe kürzlich verlauten –, kann der deutsche Offizier immerhin schon in seiner privaten Gummizelle mit dem Rapier paradieren. Die alteingesessene und traditionsbewusste WKC Stahl- und Metallwarenfabrik in Solingen fertigt das Accessoire an; und trotz des happigen Preises von 330 Euro sind bereits 50 Säbel verkauft worden; eine Charge von weiteren 50 wurde jüngst in Auftrag gegeben.

Bislang ist das schmucke Schwert nur in einer Version für Heeresoffiziere zu haben; die Kameraden von Marine und Luftwaffe gehen leider leer aus.

Doch da sollte etwas Kreativität schnell Abhilfe schaffen können: Wie wäre es z. B. mit einem eisernen Handhaken bzw. einem fluchenden Papagei für See- und mit Wachsflügeln Marke „Ikarus“ für Luftoffiziere? So wie sie schon unsere Groß- und Urgroßväter trugen? Ohnehin sollte man die Rückbesinnung auf Mordinstrumente der Antike nicht zu gering schätzen! Steinkatapult statt Cruisemissile, Galeere statt Flugzeugträger, Hoppehü statt Leopard – das hätte viel Segensreiches, entfiele doch in den allermeisten Fällen der Kriegsgrund „Massenvernichtungswaffen“ für alle Zeit. Und wenn die Offiziere dieser Welt sich künftig begegnen und nachschauen, wer den Längsten hat, dürfen sie ihre tollen neuen Säbel auch gern aneinander ausprobieren. Schließlich genügt es unter Leutnants, Obristen und Generälen nicht, eine Hackfresse zu sein. Man sollte auch eine haben.

KAY SOKOLOWSKY