: Sowohl als auch nicht
USA/SYRIEN Im US-Fernsehen wirbt Präsident Obama für einen Militärschlag – falls er ihn doch noch einmal durchführen will
AUS WASHINGTON LENA KAISER
Mit einer Rede an die Nation hat Präsident Barack Obama in der Nacht zum Mittwoch versucht, die US-Amerikaner für die geplanten Militärschläge gegen Syrien zu erwärmen – und zugleich für eine diplomatische Lösung geworben. Weil die ein bisschen Zeit erfordert, habe er den Kongress gebeten, die umstrittene Abstimmung zu verschieben.
Eigentlich war die 15-minütige Ansprache angesetzt worden, um mehr öffentliche Zustimmung für einen Militäreinsatz zu bekommen und damit auch die Chancen zu erhöhen, die entsprechende Abstimmung im Kongress doch noch zu gewinnen. Nachdem am Dienstag jedoch Syrien der russischen Forderung zugestimmt hatte, seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und sich damit auf einen diplomatischen Weg einließ.
In seiner Rede erklärte Obama, es sei zu früh, um zu bewerten, wie erfolgversprechend der Verhandlungsweg tatsächlich sei. Zwar seien das „einige ermutigende Zeichen“. Die US-Regierung wolle den Druck auf das Assad-Regime aber aufrechterhalten und das Militär weiterhin „in Stellung halten für den Fall, dass die Diplomatie versagt“. Für diesen Fall ließ sich Obama die Option offen, militärisch gegen die syrische Regierung vorzugehen.
Obama erklärte, er habe Mitglieder des Kongresses gebeten, die Abstimmung zu verschieben, solange die diplomatischen Bemühungen laufen. Eigentlich sollte der Senat bereits in dieser Woche und das Repräsentantenhaus in der kommenden Woche abstimmen. Am Donnerstag werde Außenminister John Kerry seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow treffen. Er selbst werde weiter mit dem russischen Präsidenten Putin Gespräche führen. Zusammen mit Frankreich und England wolle die US-Regierung im UN-Sicherheitsrat über eine Syrien-Erklärung beraten.
Verhaltene Reaktionen
Die Reaktionen auf seine Ansprache fielen unterschiedlich aus, niemand fordert aber einen sofortigen Militärschlag. Obama habe durch die Verschiebung Zeit gewonnen für eine Abstimmung, bei der er eine Niederlage kassiert hätte, meinen die einen. John McCain und Lindsey Graham, zwei Republikaner, die Obamas Forderung nach einem Militäreinsatz unterstützen, bemängelten in einer gemeinsamen Erklärung, dass Obama „nicht mit mehr Nachdruck über unsere militärische Unterstützung der moderaten Oppositionskräfte in Syrien gesprochen hat“. Außerdem fehle ein klarer Plan, um die Ernsthaftigkeit des russischen und syrischen Angebots zu überprüfen.
In Damaskus wurde die Rede zwar aufmerksam verfolgt. Großes Gewicht aber messen befragte Syrer ihr nicht mehr bei, seit die Abstimmung im Kongress ausgesetzt wurde. Für sie ist der drohende Militärschlag abgewendet, dank geschickter syrisch-russischer Diplomatie.
„Präsident Barack Obama ist der große Verlierer, Präsident Basar al-Assad der große Gewinner“, sagt ein Bäcker am Afeefplatz im Zentrum von Damaskus. Khaled Almashriki, ein 30-jähriger Ingenieur, ist skeptisch: „Wer sagt denn, dass ein Angriff der USA und Frankreichs wirklich abgewendet ist?“ Er hält den Verzicht auf Chemiewaffen für falsch: „Syrien verliert dadurch einen strategischen Vorteil“, bedauert der Ingenieur.
Mitarbeit: Martin Lejeune, Damaskus
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