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Archiv-Artikel

Zupfen am Bart

GROOVE Das Leben nimmt mit. Wer jung ist, den freut’s. Das kam den Foals im C-Club zugute

Die Dinge ändern sich. Der Columbiaclub am Tempelhofer Flughafen heißt jetzt C-Club, und die Foals aus Oxford sind nicht mehr jung und wild, sondern älter und elegisch. Am Montagabend sorgten beiden Dinge zusammen für ein fast ausverkauftes Konzert, obwohl die neue Platte der Foals („Total Life Forever“) erst im Mai erscheint. Dies war sozusagen das Vorabkonzert, gespickt mit alten Stücken.

Und die alten Stücke kamen beim jungen Publikum durchweg besser an. Ja, es war ein junge-Leute-Konzert; zu den Hits wie „Cassius“ oder „Balloons“ wurde ordentlich durch den Saal gehüpft. Neue Stücke wurden freundlich aufgenommen. In der restlichen Zeit reckte man Mobiltelefone in die Höhe oder unterhielt sich über Fußball.

Aber auch die jungen Leute sehen verbrauchter aus im Vergleich zu der Zeit, als die Foals ihr Debüt „Antidotes“ herausbrachten. Die Nichtfrisuren, die Röhrenjeans, die ausgeleierten T-Shirts, die Zehntagebärte, alles wirkte ungepflegter. Die Band auf der Bühne gab den Takt an. Sänger Yannis Philippakis hat mittlerweile einen richtigen Vollbart, Bassist Walter Gervers und Gitarrist Jimmy Smith sahen aus, als ob sie seit Wochen keine Duschkabine mehr von innen gesehen hätten, Edwin Congreave an den Tasten trug einen Schnauzbart, und Jack Bevan am Schlagzeug erfreute sich einer kleinen Windmaschine, die extra auf ihn angesetzt schien.

Es wurde also offenkundig, dass Schönheit hier nicht das Leitmotiv war, weder im Auftreten noch in der Musik. Statt „It’s all too beautiful“ hieß es eben: „It’s just another hospital.“ Die perlenden, verzwirbelten Gitarrenpickings, die auf „Antidotes“ sehr vorherrschend waren und an Math Rock wie an High-Life, also an westafrikanische Musik erinnerten, sind auf den neuen Stücken kaum noch vorhanden. Energie und Offbeat wurden durch einen Hang zum funkigen, langsamen Groove ersetzt. Mehr und mehr kristallisierte sich ein großes Vorbild heraus: besonders durch die Stimme des kleinen Philippakis, der klang wie Robert Smith. Die Foals als schwule Kinder von The Cure, so sah es aus und hörte es sich an.

Nichts gegen diese Halbgötter der Achtzigerjahre – die Foals aber hatten aufgehört, ihre Jugend auszuspielen. Sie schienen in der Ambition zu erstarren, mittlerweile zu erfolgreich zu sein, und das erst vor und mit dem zweiten Album; allerdings ist dies ein für englische Bands typisches Symptom – plötzlich beginnt der eben noch frische Sound zu müffeln. „Cassius, it’s over, Cassius away, Cassius, these daydreams decay, you’re second best.“ Ein Problem, das schon ganz andere Bands hatten. Bloc Party, Maximo Park, Kaiser Chiefs.

Dann beginnen auch entlegenere Dinge zu nerven. Das Gezappel der Herren Gervers und Smith. Der Umstand, dass nicht ein Mikro umfallen konnte, ohne dass gleich irgendein Bühnentechniker über die Bühne wuselte. Die Tatsache, dass Smith sich für fast jedes Stück eine andere Gitarre reichen ließ.

Dem jungen Publikum war’s egal. Sie feierten. Manche Dinge ändern sich eben nie.

RENÉ HAMANN