LESERINNENBRIEFE
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Umstrittene Vermutungen

■ betr.: „Nichtstun? Oder lieber nichts tun?“, wahl.taz vom 10. 9. 13

Der Artikel von Dominic Johnson legt nahe, es seien Tatsachen,

– dass der Chemiewaffeneinsatz neulich in der Nähe von Damaskus von syrischen Regierungssoldaten verübt worden ist,

– dass die alliierte militärische Intervention in Libyen 2011 zum „Schutz der Libyer“ erfolgte

– dass die auch von Bundeswehr-Flugzeugen durchgeführten Angriffe auf Jugoslawien 1999 aus humanitären Gründen stattfanden.

Ich finde, das sind umstrittene Vermutungen. Im Übrigen sind wir nicht zum Nichtstun verurteilt, wenn wir eine militärische Intervention in Syrien ablehnen. Als große Herausforderung könnten wir es insbesondere annehmen, vielen syrischen Flüchtlingen schnell zu Obdach, Nahrung und wenigstens äußerem Frieden zu verhelfen. CLEMENS NIEMANN, Herford

Zeit für Diplomatie

■ betr.: „Obamas Finger ist vom Abzug“, taz vom 11. 9. 13

Die Chemiewaffen zu kontrollieren und zu zerstören, das ist momentan der entscheidende Punkt. Umso besser, dass dies nun allem Anschein nach durch diplomatische Mittel erreicht werden kann. Ob der Weg dahin geradlinig verlief, ist zweitrangig.

Wer jetzt immer noch für einen Einsatz in Syrien plädiert, will in einen laufenden und vielschichtigen Bürgerkrieg eingreifen. Dies kann nach den Erfahrungen in Afghanistan, Irak und Libyen im besten Fall als abenteuerlich bezeichnet werden. Die militärischen und politischen Ziele einer Intervention müssten auf den Tisch gelegt werden, bevor die erste Rakete, das erste Flugzeug oder der erste Soldat das Land erreicht. Und was sollen diese Ziele sein? Wie und wo soll von außen in die Konflikte unter den Oppositionskräften eingegriffen werden? Wie schützen Interventionskräfte die Kurdinnen und Kurden vor den islamischen Terrorgruppen? Wie die Alevitinnen und Aleviten vor Racheakten? Es ist ein Dilemma, bei dem es leider nur schlechte Optionen gibt. Eine Intervention, die Bodentruppen von vornherein ausschließt, kann nicht viel erreichen. Eine Intervention mit Bodentruppen aber auch nicht. Außer, man geht mit einer Härte vor, die wiederum von der medialen Öffentlichkeit nicht akzeptiert werden wird.

Was man tun kann, sind drei Dinge: Flüchtlinge aufnehmen, Chemiewaffen einsammeln und zerstören sowie den islamischen Terrorgruppen (auf beiden Konfliktseiten) jegliche Unterstützung von außen entziehen. Es ist also die Zeit für die verschlungenen Wege der Diplomatie. OLIVER VARELMANN, Münster

Hilfe mit „Geschmäckle“

■ betr.: „Hass und Verachtung“, wahl.taz vom 12. 9. 13

Diesem Artikel kann ich voll zustimmen, würde aber gerne etwas ergänzen: Die gestrigen Hauptnachrichten der ARD lieferten ein gutes Beispiel für die offenbar gewohnheitsmäßig vorkommende Manipulation (ob nun mit Absicht oder aus journalistischem Unvermögen heraus, kann ich nicht beurteilen).

Da wird in persönlichem Stil über die Ankunft syrischer Flüchtlinge berichtet, anhand einer syrischen Familie, die –wie es beiläufig heißt – sich auf ihre bereits in Deutschland lebenden Verwandten freut. Dass der Verwandtschaftsbezug von einigen Bundesländern zur Bedingung gemacht wird, ebenso wie die Übernahme der finanziellen Verantwortung durch die hiesigen Verwandten, wird einfach verschwiegen. Weil dies offenbar nicht grundsätzlich für die 5.000 (ersten?) Flüchtlinge so gilt, war der Sachverhalt wohl zu komplex, um ihn entweder dem für blöd gehaltenen Publikum zuzumuten oder ihn überhaupt zu erfassen. So wird eine (fast rührende) Erfolgsgeschichte humanitärer Hilfe daraus, obwohl es in Wahrheit eine Hilfe mit „Geschmäckle“ ist. Es geht nur darum, sich großzügig zu fühlen, nicht darum, großzügig und mitfühlend zu handeln.

Na ja, in einer Woche ist Bundestagswahl.

MARION GNUSCHKE, Kassel

Immer wieder ärgerlich

■ betr.: „Vorsicht, Falle!“, taz vom 11. 9. 13

Seit Jahrzehnten werden wir Konsumenten von der Lebensmittelindustrie an der Nase herumgeführt und wie Trottel behandelt. Diese Tatsache ist nichts Neues, aber immer wieder aufs Neue ärgerlich.

JULIA ENGELS, Elsdorf

Schutz vor Ausbeutung

■ betr.. „Neue iPhones, alte Missstände“, taz vom 12. 9. 13

In einer besseren Welt würden Deutschland und die EU den Import von Produkten an den Herstellungsprozess binden, an faire und gute Arbeit, gerechte Löhne und ohne Ausbeutung gewonnene Rohstoffe. Das würde vermutlich so ganz nebenbei viele Arbeitsplätze in Europa schaffen. Und in der Bevölkerung den Blick für Produkte schärfen, die so hergestellt werden, dass man sich schämt, sie zu benutzen – einem aber mangels Alternativen, die erst ganz langsam in einer Nische den Markt erobern (Stichwort: Faire Maus, Fairphone), nicht erspart bleibt. Und wenn dann in China der Verlust dieser Arbeitsplätze droht, werden die anfangen, sich zu bewegen. So geht’s – und nicht andersrum. Und das ist dann auch kein Protektionismus, sondern Schutz der Bevölkerung vor der Ausbeutung durch Megakonzerne. Der Bevölkerung, die produziert, der Bevölkerung, die kauft.

JÖRG RUPP, Malsch