Die Globalisierungs-Kiste

Wie vor 30 Jahren der erste Container über Bremen nach Europa kam, erzählt die lebendige Doku von Thomas Greh

Wenn man die bedeutsamsten technischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts aufzählen will, fallen einem sofort das Fernsehen, die Atombombe, die Anti-Baby-Pille oder der Computer ein. Doch ein einfacher Blechkasten gehört ebenfalls in diese Liste, ohne den Container hätte die Globalisierung in den letzten Jahrzehnten einfach nicht so radikal verlaufen können. Durch diese Normierung im Frachtgeschäft sind weltweit die Lieferzeiten kürzer und die Lieferpreise kleiner geworden. Heute werden etwa 100 Millionen von diesen Kisten ständig um die Erde bewegt, 95 Prozent des Frachtguts wird in ihnen transportiert. Aber sie sind halt sehr prosaisch. Wer will sich schon einen Film über Container ansehen?

Der Bremer Filmemacher Thomas Greh wusste, dass der Titelheld seiner 60-minütigen Dokumentation „Die Container-Story“ nicht gerade fotogen ist. Zudem musste er, um diese Geschichte erzählen zu können, Archivmaterial wie Fotos, Zeitungsausschnitte und Filmausschnitte von Schiffen, Lastern und Hafenanlagen verwenden, die ja auch nicht unbedingt die Blicke auf sich ziehen. Deshalb verwendete er viel Energie darauf, diese Bilder so attraktiv und interessant wie nur möglich zu präsentieren. Daher sieht es so aus, als hätte er einige der Fotos auf Container projiziert, die gerade auf Zügen oder Trailern an der Kamera vorbeifuhren. Es sind kleine Tricks aus dem Computer, aber die Bilder wirken gleich viel lebendiger. Der Schnitt ist für eine Fernsehproduktion überraschend dynamisch und die Musik von Rolf Seidelmann wirkt durch ihre seriellen elektronischen Klänge entsprechend mechanisch.

Wie um zu verhindern, dass der Film doch noch zu kastenförmig würde, erzählt Greh die Geschichten zweier Container-Menschen. Der Fuhrunternehmer Malcolm McLean kam vor fünfzig Jahren auf die Idee, Frachtgüter in gleich großen Behältern zu transportieren und erfand somit den Container. Der Hafenarbeiter Bodo Meyer war im Mai 1966 dabei, als das erste mit Containern beladene Schiff in Europa im Bremer Überseehafen entladen wurde, und verfolgte die weitere Entwicklung des Hafenbetriebs. Zwar führt es nicht unbedingt die „Container-Story“ weiter, wenn Meyer erzählen darf, wie er Zigaretten aus dem Hafen geschmuggelt hat, oder wenn man von McLeans‘ Tochter erfährt, dass ihre Familie einst heimlich aus ihrem Heimatort in North Carolina wegzog. Aber dramaturgisch und atmosphärisch sind diese ab

schweifenden Anekdoten geschickt gesetzt, denn die beiden Männer werden durch sie auf der Leinwand noch lebendiger. McLean starb schon 2001, und so musste Greh mit Archivaufnahmen arbeiten. Doch diese sind so raffiniert in den Film eingefügt, dass sie genauso intensiv wirken wie die Aufnahmen von Bodo Meyer. Dieser steht zum Schluss des Films nachts am Hamburger Containerhafen und sieht fassungslos auf die riesige, computergesteuerte Anlage, in der Kräne und Fahrzeuge die Container bewegen, ohne dass dabei ein einziger Mensch zu sehen ist.

WILFRIED HIPPEN

Die Container-Story: heute, 21 Uhr, 3sat