piwik no script img

Archiv-Artikel

EU droht mit Sanktionen gegen Neumitglied

KROATIEN Die Kommission leitet ein Verfahren gegen das Balkanland ein. Es geht in dem Streit um die Auslieferung gesuchter mutmaßlicher kroatischer Verbrecher wie den Exgeheimdienstoffizier Perkovic

BRÜSSEL taz | Nur zehn Wochen nach dem EU-Beitritt drohen Kroatien bereits saftige Sanktionen aus Brüssel. Grund dafür ist der europäische Haftbefehl, den die Regierung in Zagreb eigenwillig – und offenbar EU-rechtswidrig – auslegt. „Das Verfahren ist im Gange“, sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding am Dienstag in Brüssel.

Noch nie hat ein Neumitglied so schnell den Ärger der Brüsseler Behörde auf sich gezogen. Und noch nie drohten einem Neuling so harte Strafen. Reding hat unter anderem vorgeschlagen, 80 Millionen Euro einzubehalten, die Kroatien im Jahr 2014 im Zuge des geplanten Beitritts zum Schengenraum zur Modernisierung seines Grenzwesens erhalten sollte. Dass es Ärger geben würde, war schon seit dem 1. Juli, dem Tag des Beitritts, abzusehen. Nur drei Tage zuvor hatte die Regierung in Zagreb die Anwendung des Europäischen Haftbefehls auf Straftaten, die nach August 2002 begangen wurden, begrenzt. Dies stieß unter anderem die Bundesregierung in Berlin vor den Kopf: Sie fordert die Auslieferung des früheren jugoslawischen Geheimdienstagenten Josip Perkovic, der wegen eines Mordes an einem Kroaten in Bayern im Jahr 1983 gesucht wird.

Reding setzte der Regierung in Zagreb jetzt eine Art Ultimatum. „Ein Gesetz, das in wenigen Tagen geändert werden kann, kann auch in wenigen Tagen wieder zurückgeändert werden“, sagte sie. Wenn Zagreb nicht spurt, setzt es Sanktionen – vielleicht schon in zehn Tagen. Das wäre dann ein neuer Rekord. Die Regierung schoss sofort zurück – und forderte Gleichbehandlung mit anderen Beitrittsländern. Slowenien und Tschechien hätten länger Zeit gehabt, ihre Gesetze zum Europäischen Haftbefehl anzupassen. Offenbar will man sich in Zagreb bis 2014 Zeit lassen. „Wir werden um keinen Euro umfallen“, warnte Justizminister Orsat Miljenic. ERIC BONSE