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SYLVIA PRAHL
Man muss kein Royalist sein, um Ketchup als ein Instrument der Weltverbesserung anzuerkennen. Nach der Lektüre von Ketchup für die Königin von Rutu Modan könnte es allerdings sein, dass man zusätzlich leises Mitleid hat mit der Königin und all den feinen Pinkeln, die ein vom Hofprotokoll diktiertes spaßfreies Leben fristen müssen. Denn die israelische Autorin und Comiczeichnerin Modan lässt in ihrem ersten Kinderbuch die Königin von England so liebevoll erdverbunden auf die Leserschaft los, wie es zuletzt Alan Bennett in seiner „Souveränen Leserin“ getan hat. Wie bei Bennett auch, ist es in „Ketchup für die Königin“ ein unkorrumpierter Geist aus dem gemeinen Volk, der die Königin auf eine epochale Idee bringt. Die kleine Nina pflegt ihre Speisen massiv mit Ketchup zu würzen und isst am liebsten mit den Händen. Sehr zum Unbehagen ihrer Eltern, die sie ohne Unterlass mit Benimmregeln drangsalieren, anstatt sie am Abendbrottisch in ein kurzweiliges Gespräch zu verwickeln. Als der Vater eines Abends hilflos fragt, was Nina denn täte, wenn die Königin sie zum Essen in den Buckingham Palast einlüde, bimmelt’s an der Tür und ein pausbackiger Hofmarschall verkündet, dass Nina sich um 9 Uhr zum Essen bei der Königin einzufinden hat. Zum Umziehen bleibt keine Zeit, „Ihre Majestät hasst Unpünktlichkeit“, also fliegt Nina auf Strumpfsock und in Jogging los. Im Privatjet natürlich. Im Palast wird sie mit großem Tschingderassabum von der Königin und ihren Leuten empfangen. Die Monarchin hat so gar nichts von der uns bekannten Lizzy, sie ist wuchtig und mit tollem Doppelkinn versehen. Beim Bankett wird Nina neben einen „besonders missmutigen Admiral“ gesetzt. Weil sie die aufgetischten Köstlichkeiten überhaupt nicht mag, bestellt sie sich – formvollendet, wie sie selbst stolz feststellt – eine Portion Nudeln mit Ketchup. Nur weiß sie nicht, welche der vielen Gabeln die richtige ist. Als der missmutige Admiral ihr den Tipp gibt, so zu essen, wie sie es gewohnt ist, gibt es kein Halten mehr. Bis sie die Stille um sich herum bemerkt. Nun fürchtet Nina, wegen schlechter Manieren eingekerkert zu werden – doch da kennt sie die Königin schlecht. Rutu Modan erzählt die Geschichte mit subtilem Humor, den Mirjam Pressler in der deutschen Übersetzung mit klarer, dezent ins Näselnde tendierender Sprache, leichtfüßig transportiert. Die Bilder sind im Ligne-Claire-Stil gezeichnet. Details wie zum Beispiel pfeifende Kellner stechen dadurch besonders schön ins Auge, und die von pikiert bis zu entfesselt changierende Mimik der Figuren ist auch für die Kleinsten unmissverständlich (Verlag Antje Kunstmann, 14,95 €).