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Archiv-Artikel

Weitermachen, irgendwie

AFGHANISTANDEBATTE Während die Zustimmung zum Afghanistaneinsatz abnimmt, diskutiert die deutsche Politik über seine Fortsetzung. Der Vorfall von Donnerstag aber zeigt: Auch eine bessere Ausrüstung kann die Sicherheit der deutschen Soldaten nicht garantieren

26 Prozent der Deutschen sind für einen Verbleib in Afghanistan. Im Herbst waren es noch 37 Prozent

AUS BERLIN SVEN HANSEN

Nach dem Tod von vier weiteren Bundeswehrsoldaten in Afghanistan hat sich die innenpolitische Debatte am Freitag verschärft. Dabei offenbarte so manche Reaktionen auf den Vorfall in der Provinz Baghlan am Vortag eine gewisse Ratlosigkeit.

So forderte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, ein klärendes Wort der Bundeskanzlerin. Die Bundesregierung lade mit der Debatte über die Definition des Einsatzes zu Fehlinterpretationen ein. „Hier wird in unterschiedlicher Intensität von Krieg gesprochen, dann wird von neuer Ausstattung gesprochen, dann geht es um erweiterte Handlungsspielräume der Soldaten“, sagte Arnold im Deutschlandfunk. „Dies alles zusammen führt uns zur Sorge, dass die Koalition möglicherweise eine veränderte Strategie will.“

Arnold kommt gerade aus Afghanistan und bezog sich darauf, dass Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in letzter Zeit die Charakterisierung des dortigen Konflikts mehrfach geändert hat und dabei immer stärker dazu tendierte, im Zusammenhang mit Afghanistan den Begriff „Krieg“ zu verwenden.

Die Bundesregierung reagierte mit Durchhalteparolen. So sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Ich weiß, dass viele Menschen Zweifel haben, ob der Einsatz richtig ist.“ Doch stehe sie „ganz bewusst hinter diesem Einsatz“, damit Afghanistan „stabilisiert wird und selbst für seine Verantwortung sorgen“ könne. Auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor einem überstürzten Abzug: „Wir sind nicht kopflos hineingegangen, und wir dürfen jetzt nicht kopflos hinausgehen.“

In einer am Donnerstagabend veröffentlichten Umfrage der ARD forderten 70 Prozent der Befragten einen möglichst raschen Abzug der Bundeswehr. Für den Verbleib sprachen sich nur 26 Prozent aus. Im Herbst 2009 waren es noch 37 Prozent. Zudem sagen nun 64 Prozent, die Soldaten seien nicht gut ausgerüstet.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, warnte vor einer übereilten Aufrüstung, die nach dem Tod der drei Bundeswehrsoldaten am Karfreitag bereits diskutiert wird. Damals wurden sogar schwere Kampfpanzer gefordert. Nouripour sagte der taz: „Wichtig ist, dass es bei dem Einsatz realistische Ziele gibt.“ Um diese definieren zu können, bedürfe es einer umfassenden Sicherheitsanalyse für den Norden Afghanistans. Dafür müsse geklärt werden, warum die Angriffe der Taliban derart zugenommen haben. „Sind der Grund die Operationen der Amerikaner im Süden, die Aktivitäten von Terroristen aus Usbekistan oder dass die Bundeswehr jetzt verstärkt in der Fläche aktiv ist? Das will ich wissen“, sagte Nouripour. Im Hinblick auf einen letztlich von allen deutschen Parteien gewollten Abzug in absehbarer Zeit forderte er überprüfbare Kriterien.

Vertreter der Linkspartei sehen sich durch die Todesfälle in ihrer grundsätzliche Ablehnung des Afghanistaneinsatzes bestätigt. „Der Einsatz der Bundeswehr in diesem aussichtslosen Krieg ist nicht mehr zu rechtfertigen“, sagte Oskar Lafontaine.

Am Donnerstag hatte Nouripour den vom Verteidigungsminister verkündeten Beschluss, weitere Panzerwagen vom Typ Eagle IV anzuschaffen, „als richtige Entscheidung“ bezeichnet. Guttenberg verspricht sich davon besseren Schutz der Soldaten. Doch wie das Verteidigungsministerium am Freitag bekannt gab, starben drei der vier deutschen Soldaten in einem Eagle IV, als das Fahrzeug als letztes einer Kolonne eine ferngezündete Sprengfalle passierte. Der vierte deutsche Tote ist ein Bundeswehrarzt, der in einer anderen Kolonne zur Bergung des zuvor zerstörten Eagle unterwegs war. Sein gepanzertes Sanitätsfahrzeug vom Typ Yak wurde von einer Panzerfaust getroffen. In ersten Berichten war von einem Raketenangriff die Rede gewesen.

An den Kämpfen in der Nähe der Stadt Baghlan waren die afghanische Armee sowie Truppen aus den USA, Ungarn, Schweden, Belgien und Kroatien beteiligt. Die Deutschen waren Teil einer Ausbildungseinheit, die afghanische Truppen begleitete.

Guttenberg besuchte die bei dem Gefecht verletzten fünf Deutschen im Krankenhaus des Bundeswehrlagers in Masar-i-Scharif. Ihr Zustand ist dem Vernehmen nach stabil. Noch am Freitag wollte er mit ihnen nach Deutschland zurückfliegen. Doch war unklar, wann die Störungen im europäischen Luftraum beendet sein werden.