… und Action!

Die Gesamtschule Mümmelmannsberg wehrt sich gegen eine ZDF-Reportage, die gewalttätige Schüler zeigte: Die Jugendlichen sagen, sie hätten Geld dafür bekommen, die Szenen zu inszenieren

von Kaija Kutter

So viel Aufmerksamkeit hätte sich Schulleiter Klaus Reinsch vor einem dreiviertel Jahr gewünscht, als die Spitzenergebnisse seiner Schüler beim ersten Hamburger Zentralabitur bekannt wurden. Eine Schülerin schloss mit 1,0 ab, und auch der Gesamtschnitt seiner Gesamtschule Mümmelmannsberg von 2,4 hob die Schule landesweit als eine der Besten heraus. Eine kleine Sensation, wenn man bedenkt, dass höchstens ein Drittel dieser Abiturienten eine Gymnasialempfehlung hatte.

Doch die Medien entscheiden selbst, wann sie einem sozialen Brennpunkt Aufmerksamkeit schenken. Seit am 29. März die Sendung ZDF.reporter einen Film der Produktionsfirma Lonamedia zeigte, in der eine Jugendgang bei Gewalttaten gefilmt wurde, ist der Stadtteil bundesweit berühmt. Die gezeigten Schüler allerdings berichteten nun ihren Lehrern, dass die Bilder inszeniert worden seien und sie von der Reporterin dafür Geld bekommen hätten. Schulleiter Reinsch fordert eine Gegendarstellung und will die Sache vor den Presserat bringen.

Die Redaktion von ZDF.reporter räumte daraufhin ein, dass ihre Produktionsfirma 200 Euro an einen „jugendlichen Informanten“ und 100 Euro an eine Familie, die ihre Wohnung für Dreharbeiten bereit stellte, gezahlt habe. Geldzahlungen an Jugendliche entsprächen jedoch „nicht den journalistischen Grundsätzen“ des ZDF. Man habe nichts davon gewusst. Die Reporterin habe aber „die Jugendlichen nicht zu Gewalttaten animiert“, sondern „mäßigend“ auf sie eingewirkt. Das belege auch das Rohmaterial.

Doch die Jugendlichen erklären, sie hätten die im Film gezeigte Feindschaft nur gespielt und seien im wirklichen Leben Freunde. Das Hamburger Abendblatt schaute daraufhin den Film mit den Mitwirkenden noch mal an. „Die Reporterin hat ihren eigenen kleinen Actionfilm gedreht. Die war hinterhältig, hat Regisseur gespielt“, berichtet der 17-jährige Tarik. „Wir sollten mal ein bisschen Action machen.“

Die Produzentin von Lonamedia, Nicola Graef, lässt den Vorwurf eines unseriösen Journalismus nicht auf sich sitzen. Gegenüber stern.de erklärte sie, die Aussagen der Schüler seien „bar jeder Realität“, die Gewalttaten der Jugendlichen seien authentisch dargestellt: „Das ist dort Usus und Alltag“.

„Indirekt bestätigt“ sieht stern.de Graefs Aussagen durch einen Bericht der Bild, die einen anonymen Brief eines Lehrers veröffentlichte, in dem dieser die Schule als gewalttätig anprangert. Die Schüler bedrohten und beschimpften die Lehrer und prügelten sich. „Unsere Schülerschaft kommt selten pünktlich, teilweise 30 Minuten zu spät, wenn sie überhaupt kommt“, schrieb der Lehrer. Worauf sich am Mittwoch Reporter vor die Schultür stellten und mitstoppten, dass 431 Schüler vor acht Uhr und 22 nach acht Uhr das Schultor passierten.

Die Schlagzeilen, so fürchtet Lehrer Andreas Knoche, machten es den Schülern noch schwerer „ihren Weg zu gehen“. Mit dem „Stempel Mümmelmannsberg bekommst du keine Stelle“, ergänzt Schüler Kemal. „Da kann dein Zeugnis noch so gut sein.“

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