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Archiv-Artikel

St. Pauli wird teurer

Die Mieten im Szene-Stadtteil sind rasant gestiegen. Weil die Mieter häufig wechseln, ergeben sich reichlich Gelegenheiten für Preiserhöhungen. Eine sanierte Wohnung ist für manchen zu teuer

von GERNOT KNÖDLER

Die Nachricht schockiert: Im Stadtteil St. Pauli sind die Mieten im vergangenen Jahr um 20,4 Prozent gestiegen. Das haben Schüler des Gymasiums Ohmoor anhand der Wohnungsanzeigen im Hamburger Abendblatt ermittelt. St. Pauli verändert sich und das nicht erst seit gestern.

„Alle Neuvermietungen, die ich hier kenne, sind enorm hoch“, bestätigt Sylvia Sonnemann vom Verein „Mieter helfen Mietern“ (MhM). Selbst in der Eifflerstraße, an der die S-Bahn entlangdonnert, verlangten die Vermieter Riesensummen mit dem Argument, die Wohnungen lägen in einem In-Viertel.

Ihre Kollegin Christiane Hollander kennt ein krasses Beispiel aus der stark befahrenen Stresemannstraße. Für eine Wohnung mit vier Zimmern und 82 Quadratmetern verlange der Vermieter 822 Euro nettokalt. Dabei seien zwei Zimmer nicht zu heizen und einige Fenster öffneten sich zur Stresemannstraße. Zusätzliche Heizkörper zu installieren, habe der Vermieter abgelehnt, mit dem Hinweis, er werde die Wohnung auch so los.

„Der Trend ist eindeutig“, sagt Ingolf Goritz, Sprecher der GAL-Fraktion Mitte für Stadtentwicklung und Wohnen. Das Image des Stadtteils werde besser, die Wohnungen würden teurer. Das lasse sich auch aus dem Vergleich der Mietenspiegel von 2003 und 2005 ableiten. Der zeige, dass die Mieten für die im Viertel besonders häufig vertretenen Wohnungstypen gestiegen seien.

Ähnliches gilt für die Preise von Eigentumswohnungen. Nach Angaben der Landesbausparkasse (LBS) lagen sie 2002 noch bei 1.682 Euro pro Quadratmeter. Im vergangenen Jahr wurden bereits 2.039 Euro verlangt. Das liegt knapp über dem Landesdurchschnitt von 2.026 Euro pro Quadratmeter – und weit über dem des Bezirks Mitte von 1.551 Euro.

Aus Sicht der Mieterberaterin Hollander haben einzelne Quartiere des Stadtteils die Mieterhöhungen bereits hinter sich, anderen drohen sie noch. „Das Schanzenviertel ist abgefrühstückt“, glaubt Hollander. Mit der Galão-Szene sei das Viertel für wohlhabende Zuzügler attraktiv geworden. Die Mieten seien bereits seit vier bis fünf Jahren hoch. Im Karoviertel, im Sanierungsgebiet Wohlwillstraße und auch in St. Pauli-Süd zögen die Mieten dagegen gerade an. „Am Hafen zu wohnen, ist im Moment schick“, sagt Hollander.

Sie vermutet, dass häufige Mieterwechsel den Preisanstieg begünstigt haben. Von einem neuen Bewohner darf der Vermieter die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen, die sich aus dem Mietenspiegel ergibt, plus 20 Prozent. Häufig lägen die neuen Mieten sogar noch höher, sagt ihre Kollegin Sonnemann. Denn wenn der Mietvertrag einmal abgeschlossen ist, wird es für den Mieter schwer, nachträglich eine niedrigere Miete einzuklagen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse man beweisen, dass man keine billigere Wohnung mieten konnte. „Es gibt kaum einen Mieter, der das nachweisen kann“, sagt Sonnemann.

Wer das Geld hat, kauft sich eine Wohnung im Stadtteil, sei es im Neubau, etwa des Bavaria-Quartiers, oder im sanierten Altbau. Solcherart umgewandelte Wohnungen verknappen das Angebot für die Mieter. Dazu kommt die Modernisierung von Häusern, die jahrzehntelang vernachlässigt wurden. Dabei entstehen hohe Kosten, die auf die Miete umgelegt werden dürfen. „Das heißt, die Mieterschaft, die sich nur einfache Wohnungen leisten kann, wird verdrängt“, sagt Sonnemann.

„Das zeigt, wie wichtig es ist, dass mit öffentlichen Mitteln modernisiert und instandgesetzt wird“, sagt Rüdiger Dohrendorf von der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg). Die damit verbundene Mietpreisbindung biete die einzige Gewähr dafür, dass die angestammte Bewohnerstruktur stabilisiert werde.