: „Linke drücken bei Schulgewalt ein Auge zu“
CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger befürwortet „Zero Tolerance“ bei Verbrechen – auch bei Gewalt an Schulen. Die Grünen warnt er davor, als Regierungspartei zum „Steigbügelhalter“ für die Fortführung von Rot-Rot zu werden. Zugleich wirbt er für eine Annäherung von Grünen und Union
INTERVIEW MATTHIAS LOHRE
taz: Herr Pflüger, Sie haben ein großes Problem.
Friedbert Pflüger: Ach ja?
Ja. Wenn Sie weiter die Ausweisung „ausländischer Intensivstraftäter“ in „ihr Herkunftsland“ als letztes Mittel fordern, verschrecken Sie die Grünen vollends. Die brauchen Sie aber für eine Jamaika-Koalition.
Wer sagt Ihnen, dass ich für Jamaika bin? Dagegen gibt es Vorbehalte – in der CDU wie bei den Grünen.
Schwarz-Gelb-Grün ist nach heutigem Stand Ihre einzige Möglichkeit, im September Regierender Bürgermeister zu werden. Da dürfen Sie beim Thema Integration nicht den Law-and-Order-Politiker geben.
Dann müssen Sie aber auch zur Kenntnis nehmen, was ich zu diesem Thema sage. Nehmen wir das Beispiel der Rütli-Schule: Mir geht es nicht darum, eine Frontlinie zwischen Deutschen und Ausländern zu ziehen. Sondern es geht um die Unterscheidung zwischen rechtschaffenen Bürgern gleich welcher Herkunft einerseits und Gewalttätern, Kriminellen und Drogenhändlern andererseits. Ich will mit der großen Mehrheit der Migrantenfamilien das Gewaltproblem an den Schulen lösen. Nicht gegen sie.
Wie wollen Sie im Wahlkampf den CDU-Spagat in Sachen Integration hinkriegen – hier der liberale Spitzenkandidat, dort die nach harter Hand rufende Partei?
Ich finde gar nicht, dass das ein großer Spagat ist. Vor kurzem war ich beim New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg. Der ist freundlich gegenüber jedem in seiner Stadt. Ein echter Liberaler von Kopf bis Fuß. Aber beim Thema Kriminalität vertritt er die Haltung „Zero Tolerance“. Toleranz benötigt Intoleranz gegen die Intoleranten. Das kann auch in Berlin klappen.
Glauben Sie wirklich, dass die Öffentlichkeit Ihrer Partei diesen Sinneswandel abnimmt?
Die alten Vorurteile gegenüber der CDU zu bedienen ist natürlich bequem. Aber sie stimmen trotzdem nicht. Gerade die taz-Leser sollten differenzieren können!
Wer steht in der Berliner Union für diese Öffnung zur Mitte?
Nehmen wir unser neues Integrationskonzept. Daran hat Barbara John – über Jahrzehnte hoch angesehene Ausländerbeauftragte des Senats – ebenso mitgearbeitet wie der migrationspolitische Fraktionssprecher Kurt Wansner, Emine Demirbüken vom CDU-Bundesvorstand und ich.
Sollten Sie Migranten nicht als Partner – und potenzielle WählerInnen – begreifen? Unter ihnen sind viele Eltern, die sich eine „harte Hand“ für ihre Kinder wünschen.
Eben! Gerade eher konservative türkische Familien wollen doch keine Disziplinlosigkeit in der Schule und dass Schüler Stühle nach Lehrern werfen.
Sie wollen weitere Schließungen von Jugendfreizeiteinrichtungen verhindern, den Ausfall von Unterrichtsstunden beheben. Mehr Schulpsychologen und Sozialarbeiter sollen bedrängte Schulen unterstützen. Und woher kommt das Geld dafür?
Es kommt darauf an, wo man im Haushalt Prioritäten setzt. Wer heute bei Schule und Bildung spart, zahlt später einen weit höheren Preis. Aber alle einhundert von Rot-Rot geschlossenen Jugendeinrichtungen kann auch ich nicht wiedereröffnen.
Ihre Partei wirft dem Senat regelmäßig vor, nicht genug gegen Kriminalität an Schulen zu tun. Sind das nicht überholte Reflexe der CDU?
SPD und Linkspartei sind zu lax in Sicherheitsfragen. Das fängt beim Schulschwänzen an und geht über Gewaltvideos auf Handys bis zum „Abzocken“ von Mitschülern und Drohungen gegen Lehrer. Bei vielen Linken gilt es bis heute als spießig, etwas dagegen zu tun. Die drücken eher ein Auge zu. Das wird es mit mir nicht geben.
Also Ja zum Handyverbot an Schulen?
Nein. Dadurch würde die Mehrheit der Schüler für eine Minderheit büßen.
Wie sieht der perfekt integrierte türkischstämmige Berliner aus?
Schon heute gibt es viele Beispiele dafür: Unternehmer, Ärzte, Arbeitnehmer, Rechtsanwälte. Ein guter Freund von mir ist Arzt türkischer Herkunft. Aber zugegeben: Auch viele in der CDU müssen noch viel mehr lernen, dass jemand mit türkischem, griechischem oder chinesischem Namen Deutscher sein kann. Das perfekte Beispiel ist Cem Özdemir. Er ist Deutscher, nicht Türke.
Schon wieder ein Grüner. Werben Sie doch für Jamaika?
Ich denke nicht von morgens bis abends über taktische Fragen nach. Meine Positionen werde ich nicht deshalb verändern, weil ich denke: Das verschafft mir mehr Chancen bei den Grünen. Ich gehe meinen Weg. Wenn die Grünen glauben, dass die Linkspartei mit Herrn Flierl besser zu ihnen passt, obwohl der jüngst Stasi-Täter zu Opfern erklärt hat – dann bitte! Sie müssen selber wissen, ob sie die Steigbügelhalter für die Fortführung von Rot-Rot sein wollen.
Haben Sie die beiden Grünen-Fraktionschefs schon getroffen?
Nein. Aber wir werden uns sicher in den kommenden Monaten kennen lernen. Dann können wir einander gern unsere Vorurteile an den Kopf werfen – oder aber sachlich darüber reden, was wir gemeinsam für Berlin tun können.