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Archiv-Artikel

So viel Kohle gab’s noch nie

Edles Carbon hat am Alltagsrad nichts verloren – noch so eine Überzeugung, die ins Wanken gerät. Die Kohlefaser macht vor nichts mehr vor Halt, auch nicht vorm Trekkingrad. Das leichte und belastbare Material hat aber nach wie vor seinen Preis

VON HELMUT DACHALE

Jahrelang war nichts als Geraune. So leicht, so toll, aber auch so verdammt teuer. Und damit war das Thema für die meisten Radler auch schon erledigt. Carbon war nicht für sie gemacht. Daraus hergestellte Fahrradrahmen gibt es zwar bereits seit mehr als zwanzig Jahren, doch als Abnehmer kamen nur wenige in Frage, Profisportler oder gut verdienende Hightech-Fans. Doch plötzlich ist die Kohlefaser stärker angesagt denn je – zumindest auf den Neuheitenmessen – und hat nun auch die ersten Trekkingräder erreicht.

Wer bisher ein Bike mit Carbonrahmen fahren wollte, musste aufs Rennrad, MTB oder auf einen ähnlichen Boliden steigen. Jetzt also sind voll ausgestattete Carbonaros zu haben, geeignet für das ganz normale Verkehrsgeschehen. Allerdings haben sich bisher nur ein paar Hersteller auf diese Entwicklung eingelassen, und respektable Preise verlangen sie auch. Carbon gilt schließlich als der Elitestoff, überhaupt nicht so prollig wie Stahl oder Aluminium. Er basiert auf dem wunderbaren Kohlenstoff, dem Element, das auch als Diamant auftritt. Das Carbon am Fahrrad hat indes eine ganze andere Modifikation, es ist zusammengefügt aus industriell gefertigten Kohlefasern, die wie ein Garn verzwirnt und mit einem Kunstharz verbunden werden. Entscheidend sind die Faserqualität und die Verarbeitungstechnik. Stimmt beides, erhält man ein Material, das erheblich leichter ist als Alu, sich durch hohe Belastbarkeit und außergewöhnliche Vibrationsdämpfung auszeichnet.

Der österreichische Hersteller Simplon behauptet, dass die vielen hochfrequenten Schwingungen, mit denen Radler nun mal zu kämpfen haben, mit seinem Kohlefaserrahmen „fünfmal schneller abgebaut werden als von leichten Alurahmen“. Und dann gilt Carbon auch noch als quasi nichtalternd.

Dummerweise kann niemand durch bloßes Hingucken feststellen, ob so ein Highend-Rahmen wirklich das hält, was ihm nachgesagt wird. Das leichte Gewicht hingegen dürfte sofort auffallen und könnte auch noch mithilfe der Haushaltswaage verifiziert werden. Ob alles andere zutrifft, muss regelrecht erfahren werden. Zum Beispiel auf dem „Nanolight K“ von Simplon, einem der ersten Trekkingräder mit Vollcarbonrahmen und der Option für das gesamte Drum und Dran. 27 Gänge, Nabendynamo, tragfähiger Gepäckträger und all die anderen profanen Komponenten – und dennoch liegt das Gesamtgewicht laut Hersteller unter 12 Kilo. Aus Carbon geschneidert ist nicht nur der Rahmen, sondern auch die Gabel. Wobei die Rahmenbauer nicht mehr Rohr an Rohr gefügt haben, sie haben das Gestänge vielmehr in so genannter Monocoque-Technik aus zwei größeren Bauteilen zusammengebacken.

Koga Miyata, ein weiterer Anbieter eines Carbonrades für den All-Road-Einsatz, ist mit dem wertvollen Material noch großzügiger umgegangen: Bei seinem Modell „TerraLinerCarbolite (TLC)“ sind auch Teile wie Lenkervorbau und Kurbelgarnitur aus Carbon. Außerdem bevorzugt Koga Rahmenrohre, sie werden muffen- und nahtlos verklebt. Beides zusammen drückt das Gesamtgewicht des Fahrrades noch tiefer, laut Hersteller bringt ein TLC ein Dumpinggewicht um die 10 Kilo auf die Waage.

Beide Modelle kommen in der schwarzen Carbon-Naturfarbe daher und scheinen – trotz Straßenausstattung – für den gewöhnlichen Straßenverkehr etwas zu edel zu sein, overdressed. Und womöglich auch zu schnell. Ein Experte der Fachzeitschrift Aktiv Radfahren jedenfalls hatte den Eindruck, „zwei frisierte Rennräder zu testen“. Und da Carbonrennräder schon immer alles andere als billig waren, bewegen sich auch die Preise für diese getunten Trekkingräder auf dem immer noch üblichen Carbonniveau: Für ein „Nanolight K“ sind je nach Ausstattung zwischen gut 2.000 und knapp 2.600 Euro zu zahlen, das TLC ist für rund 3.200 Euro zu haben. Was bedeuten könnte, dass Carbon auch in Zukunft mehr der Stoff fürs Hörensagen ist. Eher auf Messen anzutreffen als im Alltag.