: Ein Drache zum Klettern
SPIELPLÄTZE Damit Spielflächen nicht veröden, setzt die öffentliche Hand zunehmend auf Bürgerbeteiligung bei ihrer Gestaltung. Dabei erleben die Planer durchaus Überraschungen
755 städtische Spielplätze gibt es in Hamburg, dazu jene in privater Hand. Seit 1997 sind die Größen der Plätze im Landschaftsprogramm festgeschrieben. 3.000 Quadratmeter gelten als ideal.
■ Die Hamburgische Bauordnung schreibt bei Wohnhäusern mit mehr als drei Wohnungen Spielplätze sogar vor. Anzahl, Zustand oder gar Gestaltung sind aber nirgends erfasst. Je nach Altersstruktur ist das Thema Spielplätze mehr oder minder von Bedeutung für Wohnungsunternehmen und Baugenossenschaften. In vielen Quartieren mit hoher Einwohnerzahl finden sich neben den Anlagen, für die die Vermieter verantwortlich sind, vor allem größere der öffentlichen Hand.
■ Für Planung, Neu-, Umbau und Instandsetzung von Spielplätzen hat die Stadtentwicklungsbehörde rund 1,9 Millionen Euro 2012 ausgegeben. Hinzu kommen die bezirklichen Mittel für die Unterhaltung und weitere größere Summen im Rahmen der Integrierten Stadtteilentwicklung.
■ Holz, Stahl, Sand, Seil, Kunststoff – das sind die Materialien, die aktuell verwendet werden. Schienen vor ein paar Jahren Kletterwände mit bunten Griffen total angesagt, sind sie gegenwärtig längst nicht so verbreitet wie die Klassiker Schaukel, Rutsche und Sandkiste. Wobei die Sandkiste längst ihre Ecken verloren hat und häufig in die Motivwelt eines Spielplatzes integriert ist. ADZ
VON ANGELA DIETZ
Blaue Wellen schwappen durch den Sanitaspark im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel. In Neuwiedenthal ruht ein riesiger roter Drache im Sand. „Spielplätze stellen wir zunehmend unter ein Motto und machen sie dadurch unverwechselbar“, erläutert Ulrich Hein-Wussow, in der Stadtentwicklungsbehörde für Grünplanung zuständig.
Skulpturen wie der Drache haben mehrere Funktionen: Sie sind begehbar, haben integrierte Kletterwände oder Rutschen, mehrere Ebenen oder Treppen. Auch Kletterseile sind angesagt – ob als Trapez, Hängebrücke, Turm oder Schiffswand; aus Kunststoff oder aus Naturfasern. Kinder können so ihrem Bewegungsdrang nachgehen oder in der Hängematte chillen. Die netzartigen Gebilde beanspruchen viele Muskeln und trainieren den Gleichgewichtssinn.
Dass Kinder sich bewegen und ihre Umgebung, am liebsten die Natur, erkunden wollen, ist eine Binsenweisheit. „Es gibt aber immer weniger gestaltbare Räume für Kinder“, kritisiert Jan Heidtmann vom Verein Spieltiger, der mit seinem Spielmobil in den Stadtteilen unterwegs ist. Der Sport- und Spielpädagoge befasst sich seit Langem wissenschaftlich und praktisch mit dem Draußenspielen. Der Spielplatz an sich biete wenig Gestaltungsraum, Sinneserfahrung fehle. „Wasser und Sand zum Rummatschen“, findet Heidtmann, „oder Bauspielplätze – das ist positiv.“ Doch auch Spielgerätehersteller und Freiraumplaner hätten sich mit guten Angeboten auf die Situation eingestellt. Skateranlagen mit Rampen und Pipes oder freie Flächen mit Allwetterbelägen für alles, was rollt, seien wichtig für die Bewegungserfahrung.
Seit 20 Jahren wird die Beteiligung der Anwohner bei der Gestaltung großgeschrieben. „Spielplätze sind für Kinder da. Deshalb planen wir und die zuständigen Bezirksämter sie gemeinsam mit Kindern, die in der Umgebung wohnen“, sagt Hein-Wussow. Die Bezirksämter sind auch für Pflege und Unterhaltung zuständig. Auch Wohnungsunternehmen wie Saga/GWG versuchen, Kinder und Erwachsene ins Boot zu holen, wenn Plätze neu entstehen oder instand gesetzt werden.
Dabei kommt es manchmal zu Überraschungen: In Steilshoop war neben „Attraktionen für die Kinder ursprünglich ein Bouleplatz für die Erwachsenen geplant“, so ein Sprecher der Saga/GWG. „Unsere Mieter entschieden sich aber lieber für grüne Hügel, damit die Kinder im Winter rodeln können.“
Im Stadtteil Hohenhorst im Bezirk Wandsbek wollten die Bewohner am liebsten ein Schwimmbad, vor allem die Kinder. Das konnte zwar nicht verwirklicht werden. „Aber wir haben einen Spielplatz mit Wasserpumpe und Wasserkanälen bei der Neugestaltung des Parks gebaut“, erzählt André Braun, für die Lawaetz-Stiftung als Quartiersentwickler vor Ort.
Neben der fehlenden Gestaltbarkeit ist es die Angst vor Gefahren im öffentlichen Raum, vor dem Straßenverkehr oder vor Gewalttaten, die zur Verödung von öffentlichem Raum führt. Aus der gestiegenen Angst resultiere ein starkes, subjektives Sicherheitsbedürfnis. „Gleichzeitig ist der öffentliche Raum objektiv zunehmend sicher“, sagt Heidtmann. Die Verödung hänge außerdem mit den Deutschen Industrie Normen (DIN) für die Spielplätze zusammen. Doch genau die DIN sind es andererseits, deren Einhaltung Bürger für ihre Sicherheit einfordern.