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Archiv-Artikel

Ostermarschierer demonstrieren gegen alles

Mit einem breiten Themenspektrum wollen die Organisatoren des Ostermarschs Teilnehmer zu dem Protest locken: Es geht gegen die Fußball-WM, die Iran-Politik und Hartz IV. Polizei rechnet mit bis zu 4.000 Demonstranten

Fußball-WM, Iran und Hartz IV – das sind die Themenschwerpunkte des diesjährigen Ostermarsches in Berlin. Er beginnt am Ostermontag um 13 Uhr am Brandenburger Tor, die Abschlusskundgebung ist für 15 Uhr am Anhalter Bahnhof geplant – mit Infoständen und Livemusik. Zur Teilnahme rufen neben politischen Parteien, Gewerkschaften, Verbände und kirchlichen Gruppen auch einzelne Friedensaktivisten auf.

Die „Friedenskoordination“, die den Marsch organisiert, stellte gestern nicht nur das Konzept für die Demonstration vor, sondern auch einen direkten Zusammenhang dieser Themen zum Militär her. Denn das Motto des Ostermarschs 2006 heißt „Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen! – Abrüstung satt Sozialabbau!“ Mit Blick auf den Iran wollen sich die Veranstalter dafür einsetzen, dass eine Militarisierung des Konflikts verhindert wird. Gleichzeitig kritisierten sie die Politik der Bundesregierung: „Sie ist unglaubwürdig und geprägt von Doppelmoral“, sagte Xanthe Hall von den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW).

In der Eifel stünden 20 Nato-Atomwaffen bereit, zudem besitze und exportiere Deutschland die Technik zur Anreicherung von Uran. Das passe nicht zum geplanten Ausstieg aus der Atomenergie, sagte Hall, die auch auf der Demo am Montag sprechen wird. Daher setzt sich der Friedensmarsch für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland, Verhandlungen mit dem Iran und Hilfen bei regenerativen Energieformen in dem islamischen Land ein.

Auch die WM soll Thema beim Ostermarsch sein: Die Veranstalter verurteilen auch einen möglichen Einsatz der Bundeswehr bei dem Turnier. „Wir sehen die Gefahr, dass eine Tür aufgestoßen wird für weitere Einsätze im Innern Deutschlands“, sagte die Sprecherin der Friedenskoordination, Laura von Wimmersperg. Der Friedensmarsch richtet sich genauso gegen den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland – auch aus sozialen Gründen. „Der Sozialabbau hängt eng mit Militärausgaben zusammen, weil das Geld dafür dann fehlt“, sagte Wolfgang Motter vom Ökumenischen Friedensforum Europäischer Katholiken mit Blick auf die Hartz-Reformen.

Wie viele Personen sich beteiligen werden, hängt für Laura von Wimmersperg indirekt auch mit diesen Reformen zusammen: Es sei schwierig, die Menschen mit der Friedensthematik zu mobilisieren, da für viele heute soziale Fragen im Vordergrund stünden. Und weil sich viele Berliner an dem Protestmarsch gegen das Bombodrom (siehe Text oben) beteiligen werden, seien Schätzungen über die Teilnehmerzahl noch schwieriger, sagte von Wimmersperg. Im vergangenen Jahr hatten etwa 500 Personen an dem Marsch teilgenommen. Die Polizei plant nach eigenen Angaben mit bis zu 4.000 friedlichen Teilnehmern.

Die Ostermärsche waren in den vergangenen Jahren mit mehreren hundert Teilnehmern relativ übersichtliche Veranstaltungen. Großen Zulauf mit über 10.000 Teilnehmern erhielten sie zuletzt während des Jugoslawien-Krieges Mitte der 90er-Jahre. CHRISTIAN HONNENS