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Archiv-Artikel

S-Bahn-Streik abgefahren

Kein S-Bahn-Streik während der Fußball-WM. Stattdessen gibt es jetzt ein betriebliches Bündnis. Dieses sieht Gehaltskürzungen und die 35-Stunden-Woche vor. Weniger Personal auf den Bahnhöfen

von ULRICH SCHULTE

Ein Großteil der S-Bahn-Beschäftigten muss künftig mit weniger Lohn auskommen. Vorstand und Betriebsrat des Verkehrsunternehmens haben sich jetzt auf ein betriebliches Bündnis geeinigt, das die Verringerung der Wochenarbeitszeit von 37 auf 35 Stunden ohne Lohnausgleich vorsieht. Das bestätigte der Betriebsratsvorsitzende Andreas Tannhäuser gestern der taz. Durch die Regelung sinken die Gehälter um 5,2 Prozent. „Ein Streik während der Fußball-Weltmeisterschaft ist damit vom Tisch“, sagt Tannhäuser. Das Bündnis beendet einen lange währenden Streit über einen Stellenabbau bei der S-Bahn. Der Betriebsrat hatte immer mit einem Arbeitskampf während des Großereignisses im Juni gedroht.

Die Pläne des Managements sahen vor, von den derzeit 3.850 Stellen in den nächsten Jahren 880 wegzukürzen. Die Beschäftigten verzichten jetzt auf Geld, im Gegenzug schließt die Geschäftsleitung der Bahn-Tochter betriebsbedingte Kündigungen bis 2010 aus. Außerdem bleiben mehr Stellen erhalten: Rund 200 Jobs würden durch die Arbeitszeitreduzierung finanziert, so Tannhäuser. Weitere 160 S-Bahner könnten in Berliner Bahnstandorte wechseln, zum Beispiel in Sicherheitssparten. Für den Rest sollen sozialverträgliche Lösungen gefunden werden.

Die Konzernleitung gibt sich erleichtert. „Wir sind froh über die Einigung, weil sie großen Schaden vom Unternehmen abwendet“, sagt S-Bahn-Sprecher Gisbert Gahlert mit Blick auf die WM. Zu Details will er sich noch nicht äußern. Die Beschäftigten würden erst in den nächsten Tagen über die Details informiert.

Ein Triebwagenführer mit vierjähriger Berufserfahrung verdient derzeit 2.060 Euro brutto im Monat, künftig sind es nur noch rund 1.950 Euro. „Das ist ein Kompromiss, den wir mit Bauchschmerzen tragen“, sagt Tannhäuser. Trotz der Drohung, während der WM zu streiken, sei nicht mehr für die Beschäftigten rauszuholen gewesen: „Die andere Seite hat mit betriebsbedingten Kündigungen gedroht.“

Zu dem betrieblichen Bündnis gehört eine Reihe von sozialen Regelungen. So sind die untersten fünf Verdienstgruppen von dem Lohnverzicht ausgenommen. Ein Wagenreiniger arbeitet zwar weniger, bekommt aber weiter das gleiche Gehalt. Azubis können zumindest mit einer befristeten Übernahme rechnen. Außerdem seien Regelungen für Altersteilzeit oder Vorruhestand vereinbart, sagt Tannhäuser. Wer freiwillig kündigt, bekommt eine Abfindung von 37.000 Euro.

Hinter den Kürzungsplänen des Vorstands steht das so genannte Stammbahnhofskonzept. Nach diesem sollen in Zukunft nur noch auf 21 der 165 S-Bahnhöfe Angestellte Züge abfertigen, andere Stationen werden per Video überwacht. Dadurch würden 650 Aufsichten überflüssig. Ferner schließt die Geschäftsführung Werkstätten – so geschehen etwa in Oranienburg und Bernau – und reduziert die Verwaltung. Trotz des Bündnisses gibt es bald wieder Verhandlungen bei der S-Bahn, allerdings hat dann die Gewerkschaft ein Wörtchen mitzureden. Der Grund: Ende Juni läuft der Tarifvertrag aus.