Die Skeptiker sind immer noch dagegen

PUNK Die Skeptiker versöhnen bürgerrechtsbewegten Ost-Punk mit Hang zum Gesamtkunstwerk und Kreuzberger Bierdosenpunk mit Wurzeln in der Hausbesetzerszene. „Aufsteh’n“ heißt ihr neues Album

Auf dem neuen Album wird von einer besseren Welt geträumt

VON THOMAS WINKLER

Nein, es sieht immer noch nicht gut aus für Deutschland. „Keine Werte, alle sind frustriert“, singt Eugen Balanskat, während die Gitarren symbolisch an den Klassenschranken schaben, die immer noch nicht einstürzen wollen. „Der Weg ist lang, und der Kampf ist hart“, jodelt der Sänger der Skeptiker, „unser Kriegsgesang bleibt ihnen nicht erspart.“

27 Jahre ist die Gründung der Skeptiker nun schon her. Im Großen und Ganzen sind sie geblieben, wie sie waren: Ostdeutsche Punklegende, aber auch Ausdruck gelungener Wiedervereinigung im Kleinen, enttäuscht von den Zuständen, immer gut für ein paar platte Parolen und eingängige Melodien, nach all der Zeit trotzdem voller Hoffnung auf die Revolution und, so ist es nachzuhören auf ihrem neuen Album „Aufsteh’n“, vor allem immer noch sehr, sehr wütend. Man nimmt den Skeptikern diese Wut ab, den heiligen Zorn auf die Banken, auf den Geldkreislauf und die Gier, eben auf „das System“, das Balanskat im gleichnamigen Song trotzig zu Ende gehen sieht: „Das System, es kollabiert und es liegt schon auf der Bahre.“

Man kann also feststellen: Der Feind hat sich zwar verwandelt, seit Balanskat seine Band 1986 in Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, gründete, aber Die Skeptiker wissen immer noch, gegen wen es geht, denn die Richtung ist immer dieselbe: Es geht gegen die da oben. Äußerlich mag sich Balanskat, Jahrgang 1959, verändert haben. Einst trug er die Haare halblang und zurückpomadiert, sodass die Melodie & Rhythmus, früher das einzige Musikmagazin der DDR, ihn zum „Dichterkönig des deutschen Punkrock“ kürte, „der schon immer besser mit dem Stift als mit Haarspray umgehen konnte“. Mittlerweile sieht Balanskat aus, als würde er sich beim schwarzen Block einkleiden, trägt von Kopf bis Fuß schwarz, versteckt die schlohweißen Haare unter einer Revoluzzermütze und mosert in Interviews in schönem, breitem Ostberlinerisch gegen „reiche Schwaben“. Auf ihrer Facebook-Seite demonstrieren Die Skeptiker Solidarität mit Pussy Riot und fordern „Hausarrest für Nazis“.

Die Skeptiker versöhnen nicht nur in modischen Äußerlichkeiten, sondern auch textlich und musikalisch den bürgerrechtsbewegten Ost-Punk mit Hang zum Gesamtkunstwerk und den Kreuzberger Bierdosenpunk mit Wurzeln in der Hausbesetzerszene. Dass ihnen dieser Brückenschlag so gut gelingt, dafür ist Tom Schwoll mitverantwortlich. Der Gitarrist, der früher bei der Westberliner Hardcore-Institution Jingo de Lunch spielte, hat sich seit seinem Einstieg 1998 zum musikalischen Kopf neben Sänger und Texter Balanskat entwickelt. Er hat erklärt, dass das vor seiner Zeit erschienene Album, „Harte Zeiten“, nicht weniger als „ein Klassiker des Deutsch-Punk“ sei.

Das ist nicht falsch. Man kann höchstens streiten, ob das 1991, ein Jahr nach „Harte Zeiten“, erschienene „Sauerei“ mittlerweile nicht doch der klassischere Klassiker ist. Der Eröffnungssong „Deutschland, halt’s Maul“ passte nicht nur perfekt in einen linken, westdeutschen Diskurs, sondern brachte auch den damaligen ostdeutschen Frust über den erstarkenden Nationalismus nach der Wiedervereinigung auf den Punkt. „Hinter den Mauern der Stadt, da sollte ein Paradies sein. Aber hinter den Mauern der Stadt, da brach nur die Kälte herein“, sang Balanskat damals und fasste in Worte, was viele fühlten, die das eine Deutschland endlich losgeworden waren, sich aber mit dem neuen nicht so einfach anfreunden wollten.

Anschließend folgten Besetzungswechsel und vor allem musikalische Experimente mit Hardcore und Metal, die aber vom Stammpublikum, wie Balanskat leicht frustriert feststellen musste, „mit Liebesentzug bestraft“ wurden. Also kehrten der Sänger, der sich mit Gelegenheitsjobs finanziell über Wasser halten muss, und seine Band wieder zurück zur „Independentmusik für Randgruppen“, wie er es nennt. Auf „Aufsteh’n“ wird also über Gewalt auf Demos berichtet und gegen die Konsumgesellschaft gewettert, von einer besseren Welt geträumt und musikalisch ziemlich exakt ein Spektrum abgeschritten, das bereits Ende der siebziger Jahre abgesteckt wurde: Punkrock, mal hingeschrammelt, mal hingerockt, mal schneller, mal nicht ganz so schnell, und zur Abwechslung ein Song wie „Afrika“ in exakt diesem schunkeligen Reggae-Rhythmus, den schon The Clash salonfähig machten.

Wie einst The Clash beherrschen auch Die Skeptiker jene Parolen, die den kleinsten Nenner finden zwischen politischem Anliegen und schicker Pose. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das sind uns’re Parolen“, singt Balanskat mit seinem berühmten Tremolo, das noch jedem schlichten Reim eine gewisse hochkulturelle Aura verschafft, vor allem aber durchschnittliche Punkstampfer durch eine alarmierende Dringlichkeit veredelt. Es ist der Kriegsgesang, der uns, das hat Eugen Balanskat versprochen, nicht erspart bleiben wird.

■ Die Skeptiker: „Aufsteh’n“ (Destiny Records/Broken Silence). Konzert am 19. Oktober im SO36