: Die Legende vom Waldjungen Ray
JUSTIZ Der Betrugsprozess gegen einen jungen Niederländer wird gegen Auflagen eingestellt
Es war eine abenteuerliche Geschichte, die der junge Mann den Berliner Behörden auftischte. Jahrelang sei er mit seinem Vater durch die Wildnis vagabundiert. Irgendwann sei der alte Herr gestorben, er habe ihn in einer Grube unter Steinen beerdigt. Nun sei er allein, habe weder Wohnung noch Geld. Auf Kosten des Jugendamts wurde der Junge in einer betreuten WG untergebracht. Ein knappes Jahr später kam raus: alles erfunden.
Medien bleiben draußen
Am Donnerstag musste sich der 21-jährige Robin H., der als „Waldjunge“ Schlagzeilen gemacht hatte, vor Gericht verantworten. Betrug lautete der Vorwurf. Von September 2011 bis Juni 2012 gab das Jugendamt rund 30.000 Euro für Unterkunft, Lebensunterhalt und Betreuung für ihn aus.
Vor dem Gerichtssaal drängen sich die Kamerateams, das Interesse an dem Fall ist riesig. Aber die Richterin schließt die Öffentlichkeit aus. Sie möchte eine weitere Stigmatisierung des Angeklagten vermeiden – seine Entwicklung werde dadurch beeinträchtigt. „Die erzieherische Wirkung der Hauptverhandlung darf nicht dem Unterhaltungswert geopfert werden“.
Hinter verschlossenen Türen einigten sich die Prozessbeteiligten darauf, das Verfahren gegen Auflagen einzustellen: Robin H. muss 150 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten und eine Beratungsstelle konsultieren.
Robin H. stammt aus den Niederlanden, lebt derzeit aber weiter in Deutschland. Wo genau, wollte Justizsprecher Tobias Kaehne nicht verraten. Robin H. habe eingeräumt, den Behörden gegenüber falsche Angaben gemacht zu haben. Obdachlosigkeit und persönliche Probleme hätten ihn dazu getrieben. Einzelheiten werde er zum Schutz des Angeklagten auch in diesem Punkt nicht sagen, so Justizsprecher Kaehne.
Er verwies darauf, dass Robin H. als obdachloser Niederländer auch ohne die Legende des Waldjungen staatliche Unterstützung in Deutschland bekommen hätte. „Der Schaden für den Steuerzahler wäre ähnlich gewesen.“
Die Behörden hatten seinerzeit Zweifel an der Geschichte des Jungen gehegt, der sich Ray nannte, englisch sprach und behauptete, 17 Jahre alt zu sein. Nachdem eine über Interpol geschaltete Vermisstenanzeige ohne Resonanz geblieben war, hatte die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung über die Medien eingeleitet. Als seine in Holland lebenden Verwandten den Jungen erkannten, lebte er bereits zehn Monate in Berlin. PLUTONIA PLARRE