: Lehrer in Sorge
SCHULEN Lehrerkollegium der Gesamtschule Mitte fordert mehr Unterstützung für gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern
Die inklusive Schule ist Teil der Schulreform. Bislang gab es gemeinsamen Unterricht nur in der Grundschule.
■ 140 von 220 FünftklässlerInnen mit Behinderungen besuchen ab Sommer die Regelschulen. Sie sollen in Klassen mit 22 SchülerInnen unterrichtet werden, darunter bis zu fünf mit Behinderungen
■ Langfristig werden die Förderzentren aufgelöst und als „Zentren für unterstützende Pädagogik“ in die Oberschulen integriert. Einen Zeitplan gibt es bislang nicht
Die Kritik der Lehrerschaft an der Umgestaltung von Oberschulen zu so genannten inklusiven Schulen reißt nicht ab. Nach der Lehrergewerkschaft GEW signalisierte nun das Kollegium der Gesamtschule Mitte (GSM) Bedarf an einer besseren Ausstattung, um ab dem Sommer behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam unterrichten zu können.
In einem offenen Brief wenden sich 44 von rund 60 LehrerInnen der GSM an Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD). Sie fordern mehr Fortbildungsangebote, mehr Unterstützung durch SonderpädagogInnen und maximal 16 SchülerInnen pro Klasse. Ihre Sorge: Angesichts der neuen Aufgabe könnten die Oberschulen neben den Gymnasien – die keine Kinder mit Behinderungen aufnehmen – „zu Restschulen verkommen“.
Vier FünftklässlerInnen mit so genanntem sonderpädagogischem Förderbedarf werden an der GSM im August eingeschult. Die LehrerInnen fordern, dass sie auf verschiedene Klassen verteilt werden. Stattdessen, schreiben sie, würden die Kinder in einer „Art Außenklasse zusammengepackt“. Die Schulleitung hat den Brief nicht unterzeichnet. „Die Rahmenbedingungen für Inklusion sind nicht günstig“, heißt es jedoch auch von dort. Zwar gebe es jeweils eine Stelle für eine Sonderpädagogin. Die aber müsse zur Hälfte für Fachunterricht eingeteilt werden, erklärt Eugen Kolodziej von der Schulleitung. Faktisch ist’s also nur eine halbe Stelle. Gerne, so Koldziej, würde man die Kinder mit Behinderungen auf verschiedene Klassen verteilen, doch: „Wir können ja selbst bei einer Inklusionsklasse nicht sicher stellen, dass immer zwei Lehrer gemeinsam unterrichten.“
Der Landes-Behindertenbeauftragte unterstützt die Forderungen: „Es muss zwei pädagogische Fachkräfte in den Klassen geben“, so Joachim Steinbrück, „oder kleinere Gruppen.“ Ganz teilt er die Kritik jedoch nicht: „Man will die perfekte Lösung schon im Voraus“. Stattdessen sollten sich die Lehrer der Aufgabe Inklusion mit den vorhandenen Mittel stellen, so Steinbrück. „Das ist bei unserem Bildungssystem doch immer die Krux.“
So sieht man es auch bei der Bildungsbehörde: „Das sind alles erste Schritte“, sagt Sprecherin Karla Götz. Das Fortbildungsangebot zum Thema Inklusion reiche zunächst für jene LehrerInnen, die ab Sommer in Inklusionklassen unterrichten. Die Klassengröße sei von der Deputation festgelegt, „eine politische Entscheidung“, wie sie sagt. Viel Hoffnung gebe es nicht: „Das sind alles auch Ressourcenfragen“, sagt sie, „auch wir müssen rechnen“. THA