: Sauerkraut-Western mit Pesto und Salsa
Der Kulturkanal Arte widmet dem Italowestern den Themenabend „Zieh oder stirb!“ – und beweist darin, dass die Filme mit Pierre Brice, Charles Bronson und Bud Spencer die Globalisierung – zumindest in der Unterhaltungsindustrie – um Jahre vorweg genommen haben (So., ab 20.40 Uhr)
Fünf Stunden lang „durchschnittlich über 300.000 Zuschauer“ gehabt zu haben, das war bei Tele 5 Anlass zum Jubeln. Und das mit den Filmen „30 Winchester für den Teufel“, „Keinen Cent für Ringos Kopf“ und „Die Satansbrut des Colonel Blake“, drei der rund 600 Italowestern, die zwischen 1964 und 1974 entstanden sind. 40 Jahre später ist der Italowestern auf dem DVD-Markt und im Fernsehen deutlich präsenter als andere Filme aus der Zeit – auch ohne die Musik von Ennio Morricone oder Stars wie Klaus Kinski und Clint Eastwood.
Mit dem Western haben sich Europäer damals das amerikanischste aller Filmgenres angeeignet. In Kiesgruben, Hügellandschaften und Wüsteneien simulierten sie nord- und mittelamerikanische Originalschauplätze, zoomten, was das Zeug hielt und versetzten das Hollywoodthema mit Brutalität und zuvor ungesehenem Zynismus.
All das soll auch Quentin Tarantino faszinieren, und was solch anerkannte Persönlichkeiten fasziniert, ist auch etwas für Arte. So widmet der Kulturkanal dem Genre den Themenabend „Zieh oder stirb!“. Nach „Django“, dem Film um den Rächer mit maschinengewehrhaltigem Sarg im Schlepptau, folgt die frisch gedrehte Dokumentation „Denn sie kennen kein Erbarmen“. Die Filmautoren Hans-Jürgen Panitz und Peter Dollinger sammelten fleißig rare Interviews mit verstorbenen Größen wie Sergio Leone und montierten dazu neue Gespräche mit Veteranen, die sich sichtlich geehrt fühlen, befragt zu werden.
In der Fülle des möglichen Materials orientierten sie sich offenkundig am deutsch-französischen Arte-Publikum: So erzählt der von französischen Cineasten nie geschätzte Robert Hossein berührend von seinem in Italien inszenierten Western. Für Deutsche wird Winnetou alias Pierre Brice befragt. Tatsächlich lieferten die Sauerkraut-Western Karl Mays den Nachweis, Amerika bunt und breitwandfähig in Europa nachstellen zu können, und inspirierten neben japanischen Samuraifilmen den industriellen Eurowestern. In Italien taten sich Westernfilmer zusammen und gaben sich anglofone Namen wie Bob Robertson (Leone), John Garko (Gianni Garko) oder, am klamaukigen Ausklang der Ära, Bud Spencer und Terence Hill. Sie kurbelten Film auf Film mit versprengten Amerikanern, in Spanien wohnhaften Dänen wie Lars Bloch (der immer noch in Almeria lebt, wo kaum mehr Western gedreht werden) und von revolutionärem Flair umwehten Kubanern wie Tomas Milian.
Gerade diese internationale Dimension des Genres macht die erste Italowestern-Dokumentation schön deutlich. Wie um zu unterstreichen, dass dies eine entscheidende Phase in der Globalisierung der Unterhaltungsindustrie gewesen sein könnte, folgt am späten Themenabend noch „Frauen, die durch die Hölle gehen“. Dieses Werk mit dem Cecil B. DeMille-Star Anne Baxter sei nicht direkt ein Klassiker, so die Macher, sondern eher einer der vielen Eurowestern, denen während der Produktion das Geld ausging, was einen Kinostart aber niemals verhinderte. Inszeniert wurde er vom vergessenen Regisseur Rudolf Zehetgruber – als primär österreichische Produktion. CHRISTIAN BARTELS