: Erfolgreicher Export
Die frisch gebackene Europameisterin Xu Huaiwen führt Bischmisheim heute ins Finale der Badminton-Bundesliga
BERLIN taz ■ Der niederländische Fernsehkommentator war amüsiert, als er Xu Huaiwen fluchen hörte. Als es zu Beginn des Endspiels der Europameisterschaften für sie gegen die Holländerin Mia Audina noch nicht richtig lief, da rutschte der dreifachen deutschen Meisterin ein „Scheiße“ heraus. Dies sei wohl Deutsch, erläuterte der Kommentator den Zuschauern. Nach sechs Jahren in Deutschland sitzen die Schimpfwörter bei der gebürtigen Chinesin. Ihr vergangene Woche errungener EM-Titel im niederländischen Den Bosch war der größte Erfolg, den der Deutsche Badminton-Verband in 32 Jahren eingefahren hat.
Xu Huaiwen, die heute mit ihrem saarländischen Bundesliga-Verein 1. BC Bischmisheim ins Play-off-Finale um die deutsche Meisterschaft bei EBT Berlin einsteigt, meldete sich vor sechs Jahren per E-Mail beim Deutschen Badminton-Verband (DBV). Zwei Jahre lang war sie im nationalen Trainingscenter in Peking, mit Anfang zwanzig gehörte sie zu den drei besten Frauen Chinas. Auf Turnierreisen ins Ausland durfte sie nicht. „Sie haben gesagt, ich bin zu klein“, sagt die 1,60 Meter große Xu Huaiwen. Über die Rolle der Sparringspartnerin kam sie nicht hinaus, ihre Trainingsgefährtin Ye Zhaoying wurde währenddessen zweimal Weltmeisterin. „Das Training in China ist anstrengend und macht keinen Spaß“, sagt sie. Auch ihre Trainingsgefährtinnen Pi Hongyan und Yao Jie büxten nach Europa aus, fanden in Frankreich und den Niederlanden eine neue Heimat und gehören heute zur Weltspitze – so wie Xu Huaiwen, die Platz vier der Weltrangliste einnimmt.
Dabei wurde sie schon mit Mitte zwanzig für zu alt befunden, um für ihre zentralchinesische Provinz Sichuan anzutreten. In Deutschland habe sie eigentlich nie die Intention gehabt, für die Nationalmannschaft zu spielen. „Das hat sich erst nach und nach entwickelt“, sagt Bundestrainer Detlef Poste und macht den aufgeschlossenen Charakter der Chinesin dafür verantwortlich, dass sie im November 2003 doch eingebürgert wurde. Gerade noch rechtzeitig, um sich für die Olympischen Spiele in Athen zu qualifizieren. Dort verlor sie allerdings bereits in Runde eins gegen eine ehemalige Landsfrau.
Lange vorbei, so Poste, sind die Zeiten, in denen Xu von Trainingsgefährten aufgrund ihres schwierigen Namens „Hannelore Schmidt“ genannt wurde. Ebenso wie Querelen mit anderen Spielerinnen, die sich um die Olympiaqualifikation und nationale Titel betrogen fühlten. „Die anderen haben mittlerweile die Vorteile erkannt“, sagt Poste. Eine Spielerin wie die 23-jährige Berlinerin Juliane Schenk wurde mitgezogen – immerhin auf Platz zehn der Weltrangliste. „Und da ist noch viel Potenzial“, sagt Manfred Kehrberg, der Manager des Final-Gegners EBT Berlin.
Kehrberg, der öfter beruflich in China zu tun hat, setzt bei seinem Team ohnehin schon längere Zeit auf chinesische Hilfe. Als Nummer eins spielt dort Xuan Chuan. Allerdings hat dieser nie die Topklasse seiner besten Landsleute erreicht und konnte früh ins Ausland gehen. „Trotzdem sind wir im Finale die Außenseiter“, sagt Kehrberg. Trotzdem soll die Halle an der Samariterstraße heute mit 600 Zuschauern zum Hexenkessel werden. Das Interesse am Bundesliga-Badminton sei ohnehin stark angestiegen, die Zuschauerzahlen wurden in Berlin verdoppelt. Vor allem über Sponsoren wird der Kader finanziert, die Zuschauereinnahmen machen nur etwa 20 Prozent aus. Das meiste Geld geht allerdings nicht für Spielergehälter, sondern für die Reisen zu den Ligaspielen drauf. Gleich heute Abend geht es nach Saarbücken, wo morgen das Rückspiel stattfindet. BERND-VOLKER BRAHMS