: Lehrer sind scheinfrei
Pädagogenausbildung an NRW-Unis vollkommen überlastet: Für einige Pflichtseminare steht nur ein Viertel der benötigten Plätze zur Verfügung. Kölner Prof verschenkt Scheine an abgewiesene Studis
VON NATALIE WIESMANN
An der Kölner Universität vergibt ein Pädagogik-Professor Teilnahmescheine an abgewiesene Studierende. Der Grund: Die LehrerInnen-Ausbildung an seiner Hochschule ist extrem überlastet. Aus dem selben Motiv heraus stürmten vergangenen Mittwoch an der Uni Münster hunderte von Studierenden aus Protest eine Senatssitzung: Für ein Englisch-Seminar waren alle Plätze nach kürzester Zeit vergeben.
Während die Landesregierung verstärkt fürs Lehramt wirbt, versucht der Kölner Pädagogik-Professor Wolfgang Schneider auf seine Art mit dem Ansturm von angehenden LehrerInnen umzugehen. Mit seiner generösen Scheinvergabe will er ihnen nur Gutes tun: „Die Studierenden brauchen die Scheine, sonst kriegen sie am Ende kein BaföG mehr“, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Zu seiner Veranstaltung hätten sich fast vier Mal so viele Studierende angemeldet wie in den Seminarraum passen. „Kollegen von mir handhaben das genauso“, so Schneider. Das Prorektorat habe ihm angedeutet, dass es diese Regelung billige.
Davon will die Universitätsleitung nichts wissen: „Das ist ein Einzelfall“, so Rektor Axel Freimuth zur taz. Wenn Schneider Scheine verschenke, verstoße er gegen geltendes Recht. Doch Freimuth gibt zu, dass die Pädagogische Fakultät total überlastet ist: „Alle angehenden Lehrer brauchen diese Pädagogik-Scheine“, sagt er. Das sind 12.000 von insgesamt 48.000 Studierenden.
Verschärft hat sich der Engpass an der Uni Köln außerdem durch die Schließung der Lehrerausbildung an den Universitäten Bonn und Düsseldorf. „Dafür ist das Ministerium verantwortlich“, sagt Freimuth. Er verhandle mit diesem über einen Aufnahmestopp für Lehramtskandidaten. Denn durch die Umstellung des Staatsexamens für LehrerInnen auf Bachelor (BA) und Master (MA) könnte die Lage noch dramatischer werden: „Dann braucht man nicht nur für Seminare, sondern auch für Vorlesungen Leistungsnachweise.“
Auch an der Uni Münster seien die Lehramtsseminare überlaufen, sagt Sprecher Norbert Frie. „Anfang des Sommersemesters kam es zu einer Krisensituation im Fach Englisch.“ Die Studierenden hatten vergeblich versucht, sich online anzumelden. „Der Frust war groß, als bei jedem Versuch die Meldung ‚ausgebucht‘ kam“, sagt er. Bei der Demo am vergangenen Mittwoch hätten Studierende so lange die Senatssitzung besetzt, bis ihnen neue Seminare für das Fach Englisch zugesichert wurden.
Frie kann bestätigen, dass die Umstellung auf BA und MA die Engpässe bei der LehrerInnenausbildung verschärft. Wie die Universitäten Bielefeld, Bochum, Dortmund und Wuppertal nimmt seine Uni an dem Modellversuch „Gestufte Studiengänge in der Lehrerausbildung“ teil. Trotz aller Probleme gebe es in Münster keine Scheinvergabe ohne Teilnahme wie in Köln: „Es hat niemand etwas davon, wenn die Studierenden nur auf dem Papier etwas gelernt haben.“