: Der Blattmacher des Ostens
PORTRÄT Florian Fels wurde unauffällig zum mächtigsten Zeitungsmann jenseits von Oder und Neiße
VON OLAF SUNDERMEYER
Auf die Frage, ob es zwischen seinem Haus und der WAZ-Gruppe, die auch im östlichen Teil Europas aktiv ist, eine Absprache gebe, sich gegenseitig keine Konkurrenz zu machen, schüttelte Florian Fels in Warschau nur den Kopf. Das war 2007. Damals war Fels noch Geschäftsführer von Springer Polska. Und es fiel auf, dass die beiden größten deutschen Zeitungshäuser zwar gute Geschäfte in der Region machten, aber das in Ländern, in denen der jeweils andere nicht als Konkurrent auftritt.
Fürs einfache Volk
Der smarte Verlagsmanager aus der kaufmännischen Schule des größten europäischen Zeitungshauses galt als überaus erfolgreich; war ihm doch in Polen etwas gelungen, was bislang niemand geschafft hatte: eine Boulevardzeitung außerhalb Deutschlands zu platzieren. Fels berührte mit Fakt die polnische Seele, katholisch-spirituell und deutschlandfeindlich. Just zu dem Zeitpunkt, als die Kaczynski-Brüder die polnische Gesellschaft auf einen nationalkatholischen, antieuropäischen Kurs trimmten, war Fakt als auflagenstärkste polnische Zeitung das ideale Vehikel für die entsprechenden Emotionen der kleinen Leute. Für die anderen, die wachsende Mittelschicht, hatte er bereits vor dem polnischen EU-Beitritt vor sechs Jahren ein Magazin für neue Erfolgseuropäer platziert: Mit Springers Newsweek führte er den Nutzwertjournalismus in Warschau ein, um gleich nach dessen erfolgreichen Start die Frage zu stellen: „Und was machen wir als nächstes?“ Die Antwort hieß Fakt, später entwickelte er noch die Tageszeitung Dziennik, eine polnische Version der Welt, die zuletzt in starke Turbulenzen geriet.
Fels machte Springer in Warschau innerhalb kürzester Zeit zu einer polnischen Variante dessen, was das Medienhaus auch in Deutschland ist: meinungsbildend, staatstragend, skrupellos und allgegenwärtig. Gegen Springer kann in Polen niemand regieren. Aber mit: Deshalb verfügt der Verlag über die besten politischen Kontakte. Und wenn der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dem polnischen Volk in der Bild nach dem tragischen Tod seines schwulenfeindlichen Staatspräsidenten Lech Kaczynski eine ranschmeißerische Solidaritätsadresse zuschickt („An der Seite unserer Freunde“), dann geschieht dies auch im Sinne des einfühlsamen Florian Fels, der weiß, was die Polen gerne lesen wollen.
Seitenwechsel
Sein Geschäftsgebaren ist die Blaupause für die aktuelle, höchst effektive deutsche Außenpolitik in Bezug auf Polen. Fast zehn Jahre lang hat sich der 42-Jährige auf die polnischen Verhältnisse eingelassen; gerierte sich nicht als arroganter, besserwisserischer „Fly-in-fly-out-Manager“, wie so viele seiner Kollegen im schwierigen Auslandsgeschäft. Nachdem er seine Polen über Jahre publizistisch gegen Deutschland in Stellung gebracht hatte und ihnen so zu mehr Selbstbewusstsein verhalf, schickte er sich später an, zum Architekt der deutsch-polnischen Versöhnung zu werden. Das ist gut für Springer Polska, das nun in eine neue Phase eingetreten ist. Denn Fels ist weg. Bevor er ging, hatte er noch schnell den Chef des härtesten Springer-Konkurrenten zu seinem Nachfolger gemacht.
Zweieinhalb Jahre nach dem Kopfschütteln in Warschau ist er zu Jahresbeginn nach Zürich gegangen, um als Zentraleuropachef des Ringier Verlags eine Absprache Springers mit den Schweizern umzusetzen. Denn die sind ebenfalls in slawischen Gefilden sehr aktiv, und zwar in Ländern, in denen es keine massiven Überschneidungen mit dem Springergeschäft gibt. Wie Springer verlegt Ringier, das sich in der Schweiz auf den Blick stützt, jeweils die auflagenstärksten Tabloids auf den betroffenen Märkten. Und so ist der scheinbare Verlust des wertvollen Beschäftigten Florian Fels tatsächlich ein echter Gewinn: Ende März gaben beide Verlage bekannt, dass sie ihr Osteuropageschäft künftig in einem Gemeinschaftsunternehmen bündeln werden, das Florian Fels schon bald an die Börse führen soll: 4.800 Menschen, 100 Printtitel und 70 Onlinedienste in Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Serbien sollen von Zürich aus verwaltet werden.
Über seinen neuen Wirkungskreis darf Fels in diesen Tagen nicht sprechen, nicht mal in abwehrenden Gesten. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir erst wieder öffentlich über diese Angelegenheit reden, wenn die kartellrechtliche Prüfung abgeschlossen ist“, heißt es dazu auf Anfrage bei Ringier. Zuständig sind dafür die Staaten der jeweiligen Märkte. Zumindest in Warschau hat Fels einschlägige Erfahrung mit den Wettbewerbshütern. Trotz Kritik an einem drohenden deutschen Meinungsmonopol konnte er dort stets die Springer-Beteiligungen durchsetzen – auch wegen der guten Beziehungen zur Politik. In die Verlegenheit, die sich aufdrängende Frage nach einem Nichtangriffspakt zwischen Springer und Ringier zu beantworten, kommt Fels sicher nicht mehr. Denn beide haben soeben den Zeitungsmarkt einer ganzen Region unter sich aufgeteilt.