Pin-up-Kalender für Frauengesundheit

24.000 Schwedinnen kämpfen für bessere Medizin – mit Prominenz und Modeschauen. Davon sollen Deutsche lernen

BERLIN taz ■ Neue Medikamente werden fast immer an jungen Männern getestet – auch Arzneimittel, die für reife Frauen gedacht sind und bei ihnen anders wirken. Gegen diese Frauendiskriminierung in der Medizin wehrt sich seit neuestem die Lobbyorganisation „19,6 Millionen-Klub“. Der Name spielt auf die Zahl der deutschen Frauen an, die älter als 45 Jahre sind.

Die Idee ist ein Importprodukt aus Schweden: Vor acht Jahren rief dort die ehemalige Nachtklub-Besitzerin Alexandra Charles den „1,6 Millionenklub“ ins Leben. In Schweden zählt der Verein inzwischen rund 24.000 Mitglieder. Mit Vorlesungen, aber auch Showeinlagen und Modeschauen will man Politikern und der Pharmaindustrie deutlich machen, wie wichtig die Forschung über Frauen und für Frauen ist. Größter Erfolg bisher: 2001 wurde am Stockholmer Universitätskrankenhaus das weltweit erste „Zentrum für Genus-Medizin“ eingerichtet.

Bekannte Schauspielerinnen, Sängerinnen und Politikerinnen über 45 haben sich für den Club engagiert – als Referentinnen oder auch als reife Models für Pin-up-Kalender. Zu den Unterstützerinnen gehören die Schlagersängerinnen Bibi Johns, Siv Malmquist, Wencke Myrrhe und die Sopranistin Anne Sofie von Otter. Clubgründerin Charles weiß um ihre Bedeutung: „Die Kontakte aus meiner früheren Laufbahn sind für den Erfolg sehr wichtig gewesen“, sagt die 57-jährige ehemalige Nachtclub-Besitzerin.

Der deutsche Verein begann im Februar mit seiner Arbeit. Die schwedischstämmige Krankengymnastin Patricia von Renteln wohnt seit 30 Jahren in Deutschland und war begeistert, als sie erstmals von dem Verein hörte. „Krankheiten und Forschung sind ja ernste und schwere Sachen. Es ist einfach fantastisch, wenn man sie mit etwas Positivem, mit prominenten Persönlichkeiten, mit Kabarett oder mit Mode kombinieren kann.“

Von den 19,6 Millionen deutschen Frauen über 45 sind dem Verein bislang erst etwa 30 beigetreten. Es fehlt hier vor allem an Prominenten, die sich engagieren. Zudem fehlen die Mittel. In Schweden wird der Klub von den Pharmafirmen und verschiedenen Lebensmittelherstellern finanziert. In Deutschland erwies sich die Suche nach Sponsoren als schwierig. „Im Moment interessieren sich alle mehr für Sport“ sagt von Renteln.

Der „Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft“ (AKF) betrachtet die neue Konkurrenz abwartend: „Unsere Ziele sind mit denen des ‚19,6 Millionen Klubs‘ fast identisch. Es wird sich zeigen, wie sie sich finanzieren“, sagt Vizevorsitzende Karin Bergdoll. Dass Pharmafirmen den „19,6 Millionen Klub“ sponsern sollen, findet sie problematisch: „Wir wollen von der Pharmaindustrie keine Gelder annehmen, um die Unabhängigkeit zu wahren.“ Auch die Showevents des neuen Klubs sieht sie eher skeptisch: „Wir versuchen die Themen seriös anzugehen mit Ärzten und und anderen Fachkräften.“ Charles kann die Kritik nicht nachvollziehen: „Wir sind unabhängig, die Sponsoren haben keinen Einfluss.“

JOHANNA FORSBERG

www.19.6millionenklub.de