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Archiv-Artikel

Das lebendige Mahnmal

Modernes Zeichen der Erinnerung

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Fünf Jahre nach seiner Einweihung gehört das Denkmal für die ermordeten Juden Europas zu den Wahrzeichen der Stadt. Zwar verbietet sich, „be Berlin, be Holocaust-Mahnmal“ auch nur zu denken, doch das Stelenfeld ist im Stadtgrundriss aufgegangen. Die Flächenskulptur bildet ein geschichtspolitisches Gesamtkunstwerk am Brandenburger Tor. Das Mahnmal lebt, es ist ein Magnet. Die Tourismusbranche führt es im Sightseeing-Ranking unter den „Top Ten“. Rund 8 Millionen Menschen haben das Denkmal seit 2005 besucht. Was sie gedacht, empfunden haben, bleibt ihre Sache. Gesehen und mitgenommen haben sie ein starkes Zeichen Berlins und dessen Umgang mit der Erinnerung an die NS-Vergangenheit.

Erhofft hatte man sich diese Erfolgsgeschichte, erwartbar war sie nicht gewesen. Mehr als ein Jahrzehnt lang stritt die Republik samt Bundestag über den prominenten Standort, die Form und die Funktion eines Mahnmals in der Stadtmitte, das zudem den Völkermord an Millionen Juden symbolisieren soll. Gibt es überhaupt eine Figur, eine Chiffre für eine solche Tat, lautete eine der Fragen.

Zudem waren die Vorbehalte gegenüber einem zweiten Jad Vaschem gewaltig. Ebenso groß aber waren die Beharrlichkeit und Zustimmung, 60 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes der Opfer zu gedenken. Zwar war der Diskurs nicht immer sinnvoll – sinnbildlich für eine sehr deutsche Auseinandersetzung über das Gedenken in Land der Täter war er sicher. „Die Debatte ist das Denkmal“, hieß es zu Recht.

Dass der Streit so lang dauerte, war richtig. Er hat zum Stelenfeld von Peter Eisenman geführt und zugleich weitere Denkmaldebatten angestoßen. Dass gerade das Holocaust-Mahnmal dazu beigetragen hat, die Rolle des Denkmals – vom erfurchtsvollen zum offeneren, kommunikativen Symbol – zu verwandeln, gehört vielleicht zu den wichtigsten Errungenschaften. Denn auch Eisenmans Denkmal ist ein modernes Zeichen von Erinnerungskultur, das vom Bedeutungszuwachs der ernsten Vergegenwärtigung der Vergangenheit bis zum kommerzialisierten Geschichtsboom reicht.

Geschichte ist „in“, auch am Holocaust-Mahnmal. Befürchtungen, das offene Denkmal könne deshalb missbraucht und zur Spielwiese degradiert werden, haben sich nicht bewahrheitet.