: Sieger unter sich
Für Werbestar Johannes B. Kerner ist der Börsengang von Air Berlin ein finanzieller Erfolg. Das Risiko für den Kleinaktionär lächelt er gekonnt weg. Für den Kerner-Sender ZDF ist Werbung Privatsache
VON HANSJÜRGEN ROSENBAUER
Johannes Baptist Kerner hat Betriebswirtschaft studiert. Beim Sender Freies Berlin als Sportjournalist angefangen, bei Sat.1 durch Fußball und Talk bekannt geworden, ist er beim ZDF inzwischen einer der Größten. Er engagiert sich gemeinnützig, moderiert auch schon mal eine Jubiläumsveranstaltung der SPD und macht Werbung für dies und das, zum Beispiel für Geflügelwurst.
Seit 1. März wirbt Johannes auch für den Börsengang von Air Berlin. Heute beginnt die Zeichnungsfrist, die bis 4. Mai läuft. Damit auch viele Kleinanleger der Billigfluglinie ihr Erspartes überlassen, sollen die Aktien wahrscheinlich gesplittet werden – ein Verkaufstrick, der kleinere, scheinbar attraktivere Stückelungen ermöglicht.
Johannes B. Kerner lächelt uns freundlich-vertrauenswürdig aus der Zeitung an und erklärt: „Bei Aktien setze ich auf Sieger!“ Allzu gern wüssten wir, worauf Kerner sonst so setzt, aber hier setzt er eben auf Air Berlin. In einer Pressemitteilung verrät er, warum: „Weil mich die Freundlichkeit und der Service der Mitarbeiter sehr beeindruckt haben, kann ich mich voll mit dem Unternehmen identifizieren!“ Und nicht nur das: „Meine Familie und ich finden Air Berlin klasse.“
Während Johannes B. Kerner uns also wissen lässt, dass er jetzt Air-Berlin-Aktien zeichne, weil es vielleicht „der beste Börsenstart des Jahres“ werde, rät der Sprecher der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz, die Kursentwicklung abzuwarten. Dass Air Berlin in den beiden vergangenen Jahren Verluste gemacht hat, dass die 2004 bestellten 60 Airbus-Flieger noch gar nicht voll finanziert waren und die neuen Preise bei British Airways und der Lufthansa in Deutschland vor allem Air Berlin zu spüren bekommen dürfte – all das verschwindet hinter Kerners Lächeln.
Im Kleingedruckten der Anzeige heißt es übrigens: „Diese Veröffentlichung stellt weder ein Angebot zum Verkauf noch eine Aufforderung zum Kauf von Wertpapieren dar.“ Da fragen sich Leser und Leserin verblüfft, warum ihnen denn dann der nette Herr Kerner vom ZDF den Kauf so sehr ans Herz legt – es scheint ja wohl eine sichere Sache zu sein, denn Kerner setzt ja bei Aktien bekanntlich auf Sieger!
Kerners öffentlich-rechtlicher Auftraggeber hält sich aus dieser Kleinaktionärsverdummungsaktion fein raus: „Johannes B. Kerner ist ein freier Mitarbeiter. Er darf andere Tätigkeiten ausüben, dazu zählt auch Werbung. Er muss aber dem Programmdirektor mitteilen, was er macht. Das hat er in diesem Fall getan“, sagt ZDF-Sprecher Alexander Stock.
Na dann ist ja alles in bester Ordnung! Nur wenn er den Programmdirektor nicht über seine Tätigkeit als Aktienwerber unterrichtet hätte, wäre man auf dem Mainzer Lerchenberg unruhig geworden, hätte sich womöglich Gedanken gemacht über die Seriosität und journalistische Glaubwürdigkeit des Mitarbeiters. Dass es gerade diese Seriosität ist, die Air-Berlin-Chef Hunold animiert hat, Kerner zu verpflichten, verrät er mit entwaffnender Offenheit in einer Pressemitteilung vom 1. März: „Johannes B. Kerner verkörpert für mich vor allem Glaubwürdigkeit. Einen besseren Werbeträger kann ich mir nicht vorstellen.“
Wenn Kerner für Geflügelwurst wirbt, ist das seine Sache, denn Wurst richtet in der Regel keinen großen Schaden an. Wenn er aber seine über die Präsenz in einem öffentlich-rechtlichen Sender erworbene Popularität nutzt, um zu einem Risikogeschäft zu animieren – dann ist das eben nicht „wurscht“.
Hansjürgen Rosenbauer, 64, war von 1991 bis 2003 ORB-Intendant und ist Mitglied des Medienrats Berlin-Brandenburg und Professor an der Kunsthochschule für Medien in Köln