Rüttgers grinst in den Mai

Der DGB droht zum 1.Mai mit einer Ausweitung des Streiks im öffentlichen Dienst. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wird von Gewerkschaftern ausgepfiffen, stört sich aber nicht sonderlich daran

AUS DÜSSELDORFKLAUS JANSEN

Der nordrhein-westfälische DGB-Chef Guntram Schneider ruft den Bündnisfall aus: Wenn der Tarifstreit im öffentlichen Dienst zwischen Ver.di und den Bundesländern nicht „in den nächsten Wochen“ gelöst werde, würden sich alle acht DGB-Gewerkschaften den laufenden Streiks anschließen. „Das ist eine tarifpolitische NATO-Doktrin“, sagte Schneider auf der zentralen NRW-Maikundgebung gestern in Düsseldorf. „Es ist das Ziel der Länder, Ver.di vorzuführen und zu demütigen. Das dürfen wir uns nicht bieten lassen.“

Bestimmten im vergangenen Jahr die privaten „Heuschrecken“-Investoren den Tag der Arbeit, so mussten dieses Mal die öffentlichen Arbeitgeber als Feindbild herhalten. Die geplanten Kürzungen in öffentlichen Dienst dienten der Privatwirtschaft als Vorbild und öffneten das Tor für weitere Einbußen für alle Beschäftigten, kritisierte Schneider. Zudem griff Schneider die NRW-Landesregierung für den Sparkurs bei den Kindergärten an: „Sie versündigen sich an der Zukunft unseres Landes“, sagte er.

Auf Plakaten wurden CDU-Landesfinanzminister Helmut Linssen und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers als „Totengräber der Arbeitnehmerrechte“ bezeichnet. Als Pappmachépuppe musste Rüttgers – wie auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Länder-Verhandlungsführer Hartmut Möllring und Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin (alle CDU) – als Zielscheibe einer Wurfbude der Ver.di-Jugend herhalten.

Der leibhaftige Rüttgers, vom DGB als Gastredner zu der Maikundgebung geladen, äußerte seine Hoffnung auf eine „zeitnahe“ Aufnahme der Tarifgespräche mit Ver.di. Dennoch wurde der Ministerpräsident von den Gewerkschaftern ausgepfiffen. Wirklich zu stören schien Rüttgers das jedoch nicht: Ein erster Kontrollblick über den mit knapp 2.000 Besuchern nur mäßig gefüllten Düsseldorfer Hofgarten entlockte dem Regierungschef sogar ein fröhliches Lächeln. „Ich bin ein Ministerpräsident für alle und Nordrhein-Westfalen bleibt das soziale Gewissen der Bundesrepublik“, rief er den Gewerkschaftern zu.Konkrete Angebote an die wütenden Ver.di-Funktionäre machte Rüttgers in seiner nur zehnminütigen Rede jedoch nicht. Auch den seit Monaten streikenden Beschäftigten der nordrhein-westfälischen Uni-Kliniken stellte er keinen Tarifvertrag in Aussicht. „Wir hätten hier ein deutliches Signal von Ihnen erwartet“, kritisierte deren Sprecher Martin Körbe-Landwehr. „Wir warten immer noch auf einen Anruf Ihres Finanzministers.“

Insgesamt kamen zum Tag der Arbeit nach DGB-Angaben in ganz Nordrhein-Westfalen 110.000 Menschen zusammen. Die Polizei zählte bei den größten Kundgebungen in Düsseldorf, Köln, Recklinghausen und Bottrop allerdings jeweils nur einige tausend Menschen.