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Archiv-Artikel

Niemand hilft den Helfern in Darfur

In der Kriegsregion im Westen des Sudan stehen die Zeichen auf Eskalation. Mangels internationalen Engagements sind die Friedensgespräche der Afrikanischen Union blockiert – und mangels Geld muss die UNO ihre Hungerhilfe im Sudan halbieren

VON DOMINIC JOHNSON

Für Sudans Vertriebene und Bedürftige brechen schwere Zeiten an: Das UN-Welternährungsprogramm WFP hat seine Rationen für 6,1 Millionen Hungernde in dem Land halbiert, auf 1.050 Kalorien täglich – weit unter dem Existenzminimum. Der Grund: Nur 238 Millionen von 746 Millionen US-Dollar, die das WFP für Hungerhilfe im Sudan dieses Jahr veranschlagt hat, sind bis Ende letzter Woche eingetroffen – 188 Millionen davon aus den USA. Man kann sich leicht vorstellen, wie katastrophal sich der Geldmangel in der umkämpften Region Darfur auswirken wird, wo drei Millionen Menschen auf Nothilfe angewiesen sind. Mehr Menschen werden auf Wanderschaft gehen, Milizen werden mehr Rekruten finden, Konflikte um Weideland, Straßen und Nahrung werden zunehmen.

Aber davon ist bei den Darfur-Friedensgesprächen nicht die Rede, die am Wochenende in Nigerias Hauptstadt Abuja in ihre entscheidende Phase getreten sind. Nach Monaten Geplänkel hat der ergebnislose Ablauf einer Frist zum Friedensschluss am 30. April die Akteure in Hektik versetzt. Hektik in Abuja bedeutet, erst einmal die Uhren für 48 Stunden anzuhalten, um die Frist auszuhebeln, während der Chefvermittler der Afrikanischen Union (AU), Salim Ahmed Salim, mitteilt, ein fertiges Abkommen liege bei ihm auf dem Tisch, und wer wolle, könne reinkommen und unterschreiben.

Immerhin geht es bei den Darfur-Friedensgesprächen um Afrikas derzeit mörderischsten Krieg, den manche Beobachter als Völkermord bezeichnen. Armee, paramilitärische Verbände und Milizen, genannt Janjaweed, haben seit 2003 zwei Millionen Menschen vertrieben und geschätzt 200.000 getötet. Diverse Rebellengruppen bekämpfen die Regierung, sind allerdings zerstritten, und in weiten Teilen Darfurs herrschen bloß noch Banden. Längst hat sich die Unsicherheit auf die Nachbarländer Tschad und Zentralafrikanische Republik ausgedehnt.

Der Friedensvorschlag auf dem Tisch von Salim Ahmed Salim in Abuja ist kompliziert. Er gibt den Rebellen Quoten in den Regierungen der drei Darfur-Provinzen und vereinbart einen „Darfur-Darfur-Dialog“. Vor allem aber sollen die Kriegsparteien unter AU-Aufsicht ihre Soldaten in bestimmten Zonen sammeln. Später – das ist der sensible Punkt – werden die Janjaweed-Milizen entwaffnet und danach die Rebellen in die Armee integriert. Wie das gehen soll, bleibt erstens unklar und zweitens in der Praxis Sache der Regierung.

Deswegen ist die Regierung für diesen Friedensvorschlag – mit Ausnahme der Bestimmung, wonach die Janjaweed-Milizen ihre Waffen zuerst abgeben –, und die Rebellen sind dagegen. Viele von ihnen wollen gar nicht integriert werden, sondern haben das Vorbild Südsudan vor Augen, das sich 2005 nach zwei Jahrzehnten Krieg Autonomie mit der späteren Option auf Unabhängigkeit erkämpfte.

Darfurs Rebellen zweifeln auch an der Fähigkeit der AU, die Einhaltung des Friedensabkommens zu überwachen. Derzeit hat die AU in Darfur eine Friedenstruppe von 6.898 Mann stehen, davon 4.760 Soldaten. Sie gilt als ineffektiv und soll bis Herbst durch eine UN-Truppe abgelöst werden, die bis zu 20.000 Soldaten umfassen könnte. Dieser Plan wiederum stößt auf heftigen Widerstand der Regierung in Khartum – verbal unterstützt von Ussama Bin Laden, der am vorletzten Wochenende per Videoband zum „lang anhaltenden Krieg gegen Kreuzzügler in Darfur“ aufrief.

Wohl deswegen favorisiert Khartum den AU-Friedensentwurf – ohne Hintergedanken läuft nichts in der Sudan-Diplomatie. Doch die AU bräuchte bei einem ausgeweiteten Mandat in Darfur mehr Unterstützung seitens der Nato. Es gibt also keine Lösung, die alle zufrieden stellt.

Was geschieht, wenn die Verhandlungen scheitern, ist unklar. Im UN-Sicherheitsrat blockieren China und Russland, Freunde der Regierung des Sudan, die von den USA und Großbritannien gewünschten aktiveren Strafmaßnahmen. Letzte Woche gab es lediglich einen symbolischen Minimalkonsens: Sanktionen gegen vier Sudanesen, zwei von jeder Seite.

Währenddessen geht der Krieg in Darfur weiter. Seit Jahresanfang zählen Hilfswerke über 200.000 neue Vertriebene. In mehreren Gebieten sind Hilfswerke zum Abzug gezwungen worden. Am 24. April begann nach Berichten von Menschenrechtlern eine von Luftangriffen begleitete Regierungsoffensive in die von den Rebellen gehaltene Zone um Gereida und Joghana in der Provinz Süd-Darfur, 100 Kilometer südöstlich der Provinzhauptstadt Nyala.

So bleiben die Helfer pessimistisch. Der oberste UN-Hilfskoordinator, Jan Egeland, warnte kürzlich: „ 2005 hatten wir mehr diplomatische Unterstützung als 2006 – mehr Geld und mehr Druck auf die Parteien. Es ist nur eine Sache von Wochen oder Monaten, bevor viele unserer Hilfsoperationen zusammenbrechen.“