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Voll Gas ins Abseits

Statt klimafreundliche Kraftstoffe kräftig zu fördern, spielt die Bundesregierung ein doppeltes Spiel

Die Regierung hat sich offenbar entschlossen, die friedliche Koexistenz der alternativen Kraftstoffe zu beenden

VON TARIK AHMIA

Deutschland hat keine Zeit zu verlieren, denn die EU macht Druck: Bis 2010 sollen umweltfreundliche Kraftstoffe neben Benzin und Diesel einen spürbaren Marktanteil erobern. 5,75 Prozent aller Treibstoffe sollen dann aus alternativen Quellen kommen und so die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs reduzieren. Er verursacht etwa 20 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes.

Der Anteil alternativer Kraftstoffe soll bis zum Jahr 2020 sogar bei 20 Prozent liegen. Doch bis dahin liegt noch ein langer Weg vor Deutschland, denn der Markt für CO2-arme Kraftstoffe ist hierzulande erstaunlich unterentwickelt.

Ausgerechnet der Umsatz von Biodiesel ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, obwohl das Umwelt-Bundesamt (UBA) dem Kraftstoff kaum Klimavorteile im Vergleich zu fossilem Diesel bescheinigt. Der Kraftstoff aus Pflanzenfett und Methanol deckt heute vier Prozent des Dieselbedarfs. Andere CO2-arme Treibstoffe wie Ethanol, Gas und reines Pflanzenfett werden an deutschen Zapfsäulen kaum angeboten – obwohl sie oft nur halb so viel kosten wie Benzin oder (Bio-)Diesel.

Weil fossiler Sprit auch in Zukunft teurer wird, will die Bundesregierung alternative Biokraftstoffe stärker fördern, wie Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee vergangene Woche auf der Hannover Messe erklärte. Gleichzeitig droht dem Nischenmarkt der Öko-Treibstoffe aus dem Bundestag neues Ungemach: hinter den Kulissen wird gerade kräftig um neue Steuern gefeilscht, die für unterschiedliche Öko-Kraftstoffe fällig werden. Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit hat sich die Bundesregierung offenbar entschlossen, die friedliche Koexistenz der alternativen Kraftstoffe zugunsten einer Bevorzugung von Biodiesel und Erdgas zu beenden. Im Eilverfahren schleust die Bundesregierung dazu das Energiesteuergesetz durch den Bundestag, das ab August Biodiesel, Pflanzenfett, Erdgas und Flüssiggas unterschiedlich belastet.

Dabei war der Schreck der Biodieselbranche zunächst groß, als bekannt wurde, die Bundesregierung wolle Biodiesel dann mit 10 bis 15 Cent pro Liter erstmals besteuern. Doch es geht der Bundesregierung weniger darum, die junge Branche zu schwächen, als an ihren traumhaften Gewinnen teilzuhaben. Dass es sich nur um einen vorgetäuschten Liebesentzug handelte, war klar, als die zuständige Finanz-Staatssekretärin Barbara Hendricks zeitgleich mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfes im März eine Quasi-Absatzgarantie für Biodiesel verkündete: „Wir wollen die Beimischung von Biodiesel zu fossilem Diesel ab 2007 gesetzlich vorschreiben.“ Fünf Prozent des Pflanzendiesels, der in Deutschland überwiegend aus Raps gewonnen wird, sollen dann in jedem Liter fossilen Diesel enthalten sein. Das ist mehr, als die Biodieselbranche aus ihrer jetzigen Produktion abzweigen könnte. Damit dürfte die Zukunft der vor allem als Landwirtschaftssubvention kritisierten Dieselalternative in Deutschland gesichert sein.

Auch die Erdgaskonzerne freuen sich: Nur wenige Tage vor der Verabschiedung durch das Bundeskabinett hieß es in einem Entwurf, für Erdgas und das verbreitetere Flüssiggas bleibe der ermäßigte Steuersatz von 9,7 Cent pro Liter bis zum Jahr 2015 gültig. Zum Vergleich: für jeden Liter Benzin sind heute 65 Cent Mineralölsteuer fällig.

In letzter Minute wurde die Gleichbehandlung jedoch wieder aus dem Entwurf gekippt. Eine Hiobsbotschaft für die mittelständische deutsche Flüssiggaswirtschaft und Kfz-Betriebe, die sich auf Fahrzeugumrüstungen spezialisiert haben: Nun heißt es, Erdgas genieße bis zum Jahr 2020 den ermäßigten Satz, während sich die Steuer für Flüssiggas schon ab 2010 mit 22 Cent pro Liter mehr als verdoppelt.

Die Freude der Erdgaslobby währte aber nur kurz, als der Bundesrat jüngst in einer Stellungnahme die gleiche Behandlung der beiden Gase bis 2020 wieder in das Gesetz hineinschrieb. Allerdings ist dessen Empfehlung nicht bindend.

Bis auf vergleichbare ökologische Vorteile (siehe linker Text) handelt es sich bei den Gasen jedoch um höchst unterschiedliche Produkte. Das fängt schon mit ihrer Verbreitung an: Nach Angaben der Flüssiggas- und Erdgasverbände fahren in Europa derzeit etwas mehr als vier Millionen Autos mit Flüssiggas und 466.000 mit Erdgas. Weltmeister sind die Polen: dort sind etwa 2 Millionen Fahrzeuge mit Flüssiggas unterwegs, ganze 771 fahren dort mit Erdgas. Sehr beliebt ist Gas auch in Italien: 1,2 Millionen Italiener fahren mit Flüssiggas und 402.000 mit Erdgas. Die Präferenz der Verbraucher hat ganz praktische Gründe – und macht die Ungleichbehandlung durch die Bundesregierung umso unverständlicher: Die Nachrüstung eines Pkw auf Flüssiggas ist deutlich billiger als für Erdgas, auch die Reichweite mit einer Tankfüllung und das Tankstellennetz sind größer als bei Erdgas.

Generell ist Deutschland ein Entwicklungsland, wenn es um gasbetriebene Fahrzeuge geht. Während es weltweit über 10 Millionen Flüssiggasfahrzeuge und knapp fünf Millionen Erdgasfahrzeuge gibt, fahren hierzulande gerade mal 0,16 Prozent der 60,5 Millionen gemeldeten Fahrzeuge mit Gas – genauer: 34.000 mit Erdgas und 70.000 mit Flüssiggas.

Bei Finanz-Staatssekretärin Barbara Hendricks kann man erfahren, wer für die Steueränderungen in dem Gesetzentwurf in letzter Minute verantwortlich ist: „Die Regelung kam auf Druck des Bundesumweltministeriums zustande.“ Dort argumentiert Pressesprecher Jürgen Maß: „Wir bevorzugen Erdgas, weil es aus unserer Sicht die größeren ökologischen Vorteile hat.“ Erdgas werde über ein Leitungsnetz verbreitet, das in einigen Jahrzehnten als Infrastruktur für die erhoffte Wasserstoffwirtschaft dienen könnte. „Erdgas kann langfristig auch durch Biogas ersetzt werden, das bei der Vergärung organischer Abfälle entsteht.“ Das sei mit fossilem Flüssiggas nicht möglich.

Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, hält die ungleiche steuerliche Behandlung der beiden Gassorten jedoch für politisch motiviert: „Es gibt zum Teil Absprachen mit der Erdgasindustrie, Flüssiggas nicht genauso zu behandeln. Im Gegensatz dazu liefert die Erdgasseite das Versprechen, das Tankstellennetz auszubauen.“

Auch Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD), der im Bundestag dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vorsitzt, hält die Position des Umweltministeriums nicht für stichhaltig: „Auch Flüssiggas könnte die Brückenfunktion zum Wasserstoffantrieb unterstützen und durch seine geringen CO2-Emissionen eine wichtige Rolle im zukünftigen Energiemix spielen.“

Allerdings ist der Weg zur Wasserstoffwirtschaft noch weit. Nach Berechnungen des Wuppertal Institutes für Klima, Umwelt und Energie werden fossile Energiequellen noch nahezu 50 Jahre den Markt dominieren. Erst ab dem Jahr 2050 werde die vollständige Einführung von Wasserstoff als Treibstoff für Verbrennungsmotoren Wirkungen im Klimaschutz zeigen. Bis dahin könne Flüssiggas sehr wohl ein dem Erdgas ebenbürtiges Instrument sein, um die CO2-Emissionen zu senken, meint das dem Umweltministerium untergeordnete Umweltbundesamt. In einer Einschätzung widerspricht es deshalb seiner Mutterbehörde und sieht gleichermaßen in „Erd- und Flüssiggas kurz- und langfristig alternative Kraftstoffe“.

Genügend Fahrzeuge, die sich für den Kraftstoff Gas eigenen, wird es auch noch über Jahrzehnte geben, bestätigt eine Shell-Studie über die Entwicklung der Motorisierung in Deutschland. „Auch im kommenden Vierteljahrhundert prägen Otto- und Dieselmotoren das Straßenbild“, resümiert Studienleiter Axel Zander eines der Ergebnisse. Die Shell-Forscher schätzen, dass bis zum Jahr 2030 in Deutschland trotz sinkender Bevölkerung allein die Anzahl der Pkw von heute 46,1 Millionen Pkw auf 53,5 Millionen steigt.

Vorerst können die mächtigen und weltweit agierenden Erdgaskonzerne mit dem Steuervorteil einen Etappensieg gegen den lästigen Konkurrenten Flüssiggas verbuchen. Doch noch ist der Sieg der Erdgasanbieter nicht sicher. Nach der Gegenoffensive des Bundesrates haben die Ausschüsse nun bis zum Juli Zeit, eine endgültige Lösung zu verhandeln. Das letzte Wort hat dann der Bundestag. Er wird über das Energiesteuergesetz abstimmen – Zustimmungspflicht des Bundesrates besteht nicht.

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