: Umstrittene Anreize zur Regulierung
Statt zu genehmigen, will die Bundesnetzagentur Strom- oder Gaspreise nach oben hin um 2 Prozent jährlich begrenzen. Wer effizienter als 2 Prozent wirtschaftet, könne ja den Zusatzgewinn einbehalten, so Deutschlands oberster Regulierer Kurth
VON STEPHAN KOSCH
Die Kosten für Strom und Gas sollen sinken. Das strebt die Bundesnetzagentur durch die so genannten Netznutzungsgebühren an. Unter „Netzen“ sind Gasleitungen oder Strommasten zu verstehen, durch die jeder Anbieter Strom oder Gas dem Kunden verkaufen kann. Allerdings: Bislang beherrschen diese Netze wenige Großkonzerne, weshalb es faktisch keinen Wettbewerb gibt: Eon und Co. kassieren beispielsweise 40 Prozent des Strompreises für die Nutzung ihrer Netze von den Konkurrenten.
Das will die Netzagentur nun ändern: In Bonn stellte Behördenchef Matthias Kurth gestern sein „Anreizregulierung“ genanntes Konzept dafür vor. Nach diesem will die Netzagentur prinzipiell die Einnahmen der Netzbetreiber um bis zu zwei Prozent begrenzen. Senkt ein Unternehmen seine Kosten um mehr als zwei Prozent, darf es den zusätzlichen Gewinn behalten. Gelingt eine geringere Kostensenkung, verdient das Unternehmen entsprechend weniger.
Die Praxis sieht derzeit so aus: Will ein Netzbesitzer seine Gebühren erhöhen, muss er das bei der Netzagentur beantragen. Als Genehmigungsbehörden überprüft die Agentur dann, ob die kalkulierten Kosten tatsächlich entstehen – und ob das Unternehmen auch effizient genug arbeitet. Dieses Verfahren hält Agentur-Präsident Matthias Kurth aber für zu ineffizient: „Bei den derzeit stattfindenden Kostenprüfungen haben wir die Situation, innerhalb von wenigen Wochen die Kosten mehrerer hundert Unternehmen überprüfen zu müssen.“ Das sei äußerst zeitaufwändig, denn die Netzagentur wisse nicht annähernd so gut über die Kostendetails und Sparpotenziale Bescheid wie die Unternehmen selbst.
Zwei Regulierungsperioden lang will die Netzagentur nun die Einnahmen der Unternehmen lieber auf diese Weise begrenzen – unabhängig von der individuellen Situation einzelner Firmen. Stattdessen sollen die durchschnittlichen Kosten der Branche Grundlage sein: Pro Jahr sollen sie um bis zu 2 Prozent sinken. Ab der dritten Regulierungsperiode soll die individuelle Kostensituation gar keine Rolle mehr spielen und nur noch der Branchenvergleich gelten. Dass durch dieses System die Kosten tatsächlich sinken, hält Milan Nitzschke vom Bundesverband Erneuerbare Energien für fraglich. Nach Einschätzung der Branche sind die Netzkosten in Deutschland um 30 bis 50 Prozent überhöht. „Die Anreizregulierung dürfte dieses Potenzial nicht abschöpfen können.“ Zudem seien die Kosten der Netzbetreiber bereits in den vergangenen Jahren um 2,4 Prozent jährlich gesunken. Die Vorgabe der Agentur sei also sehr defensiv.
Das sehen die Konzerne ganz anders. Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) nannte die das Konzept der Netzagentur einen „radikalen Einschnitt mit tief greifenden Folgen“ für den Wirtschaftszweig. „Viele Unternehmen müssen notwenige Investitionen überdenken oder einen Personalabbau in Erwägung ziehen“, erklärte VDEW-Geschäftsführer Eberhard Meller.
Beide Seiten haben noch die Gelegenheit, ihre Einwände der Netzagentur vorzutragen. Erst am 1. Juli will der Regulierer der Bundesregierung seinen Entwurf vorlegen, die dann eine entsprechende Verordnung noch in diesem Jahr erstellen soll. Nach der Datensammlung im Jahr 2007 soll die Anreizregulierung dann ab 2008 gelten.