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Archiv-Artikel

Die Schulterblickhilfe

ERFINDUNG Ein Bewegungssensor im Pkw-Außenspiegel könnte Unfälle beim Abbiegen verhindern

Folgender Unfallhergang spielt sich jährlich rund 7.000 Mal in Berlin ab: Ein Fahrrad nähert sich einer Kreuzung, ein Pkw überholt, biegt rechts ab – und übersieht das von hinten kommende Fahrrad. Die Folgen für den Radler sind oft ernst. Obwohl der Anteil der Verkehrsunfälle mit Fahrradbeteiligung gerade mal fünf Prozent aller Zusammenstöße ausmacht, sind ein Drittel aller Verkehrstoten – Fahrradfahrer.

Viele dieser Unfälle könnten vermieden werden. Durch vorausschauendes Fahren und den Schulterblick, aber auch technische Unterstützung. Die „Rad-, Fußgänger- und Wendesicherung für Automobile“, eine Erfindung der Universität Kassel, wird gerade vom deutschen Patentamt geprüft. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine einfache Vorrichtung: Ein schnell reagierender Bewegungssensor im Außenspiegel löst ein Warnsignal aus, wenn sich im Bereich von 1 bis 20 Metern ein Objekt nähert. Damit es nicht ständig piept, wird der Signalton nur dann ausgelöst, wenn eine Wagentür geöffnet oder beim Abbiegen der Blinker gesetzt wird. So sollen in unübersichtlichen Situationen Unfälle vermieden werden.

Noch steht für die Wendesicherung der Praxistest aus. „Die Erfindung befindet sich noch in der Ideenphase“, sagt Johanna Häuser von der Gesellschaft für Innovation Nordhessen mbH (Gino), die Patentvermarktungsagentur der Universität Kassel. Häuser rechnet aber damit, dass das Interesse der Automobilbranche an dem intelligenten Alarm einsetzt, wenn die Erfindung amtlich geworden ist: „Mit dem Patent ist klar, da steht auch was dahinter.“

Mit der serienreifen Entwicklung technischer Innovationen durch die Automobilindustrie allein ist es jedoch nicht getan, beklagt Bernd Zanke vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Berlin (ADFC). „Ohne gesetzlich geregelte Vorschriften gibt keiner freiwillig mehr Geld aus, auch wenn es für die Verkehrssicherheit notwendig wäre.“ Als Beispiel dafür nennt der Verkehrssicherheitsexperte den „Abbiegeassistenten“ für Lkws, der bei akuter Kollisionsgefahr automatisch bremst – und bereits von Daimler-Benz und MAN angeboten werde.

Für Zanke sind technische Hilfen wie Abbiegeassistent oder Wendesicherung jedoch nur eine Seite der Verkehrssicherheit. Ebenso wichtig seien eine übersichtlich gestaltete Infrastruktur, etwa durch klar markierte Fahrradwege an Kreuzungen, sowie die Schulung aller Verkehrsteilnehmer. Denn auch für Fahrradfahrer empfiehlt sich der Schulterblick – und zwar nach links. RALF PAULI