Immer mehr sitzen im Dunkeln

Die Zahl der Stromsperrungen steigt sprunghaft. Schuld ist nicht nur Hartz IV, sondern auch der freie Wettbewerb

„Es ist erschreckend, wie dunkel es abends in manchen Gegenden ist“, sagt die Schuldnerberaterin der Solidarischen Hilfe aus Bremen. Sie könne nicht glauben, „dass die alle nicht zu Hause sind“. Vor allem nicht, „weil ich es schon anders gesehen habe“. Manch einer hat einfach kein Licht mehr – weil er seine Rechnung nicht bezahlen konnte. Und die Stadtwerke ihm den Strom abgedreht haben. Das ist durchaus rechtens: „Die Energieversorger sind nicht zu einer dauerhaften Lieferung von Strom ohne Bezahlung verpflichtet“, sagt Petra Gaebe, Sprecherin des Bremer Energielieferanten swb.

8.670 Stromzähler hat swb vergangenes Jahr gesperrt, 2004 waren es noch 7.337. Zählt man alle Energieabschaltungen zusammen, ist die Zahl von 10.000 mittlerweile überschritten. Über die Ursachen, sagt Gaebe, „können wir auch nur spekulieren“. Für die Solidarische Hilfe hingegen liegt der Fall klar: Die verordnete Dunkelheit „ist eine unmittelbare Folge der zu gering bemessenen Sätze für Heiz- und Haushaltsenergie im Arbeitslosengeld II“. Schließlich seien die Energiekosten seit 1996 um mehr als 100 Prozent gestiegen.

Eine weitere Erklärung hat Gernot Hagemann von den Stadtwerken Hannover parat: Der Wettbewerbsdruck auf die Stromkonzerne ist gestiegen. Deshalb treiben viele ihre offenen Forderungen heute weniger nachgiebig ein als früher. In Hannover wuchs die Zahl der Stromsperrungen in den ersten drei Monaten dieses Jahres um ein Drittel. Rund 6.300 Zähler wurden 2005 abgeklemmt: ein Prozent aller Haushalte.

Weniger rigoros scheint man beim Hamburger Stromversorger Vattenfall zu sein. Die Zahl der Abschaltungen bleibe „über die Jahre konstant“, sagt ein Firmensprecher – aber man habe „anderes erwartet“.

In jedem Fall aber gilt: Kleinere Fehlbeträge dürfen nicht ohne weiteres mit Stromsperrungen geahndet werden. Doch über genaue Summen schweigen sich die Konzerne tunlichst aus. mnz