: Dialektische Verrenkungen von rechts
Erneut debattierten die Pankower Bezirksverordneten über den Bau einer Moschee. Im Publikum: Neonazis und pöbelnde Bürger. Friedbert Pflüger fordert Ausschluss eines CDUlers, der an NPD-Demo gegen die Moschee teilnahm
Mit allerhand guten Vorsätzen begann am Mittwochabend eine Sondersitzung der Pankower Bezirksverordneten zur geplanten Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf. Heiner Fleck, der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen den Moschee-Bau, durfte auf Antrag der CDU-Fraktion als Erster reden und versuchte, an die Vernunft der Politiker und Bürger zu appellieren. Er rief zum gemeinsamen Vorgehen gegen die NPD auf, wünschte sich ein friedliches Zusammenleben mit Migranten und forderte schließlich einen ruhigen und besonnenen Verlauf der emotionalisierten Debatte.
Das waren gleich drei Anliegen auf einmal – aber eine Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ist nun mal keine Wunschsendung. Und so wurden zwei von Flecks lautstark beklatschten Forderungen – die Mahnung zur Besonnenheit und die Ächtung der Nazis – nicht erfüllt.
Von Anfang an unterbrachen Bürger die Sitzung, die unter Polizeischutz stattfand, immer wieder durch Zwischenrufe und Beleidigungen. Von der eingeforderten Besonnenheit war nur wenig zu spüren. Und auch von den Nazis mochten sich einige Heinersdorfer nicht distanzieren: Die kurz geschorenen Pöbler, von denen einige T-Shirts mit der Aufschrift „Freie Nationale Sozialisten“ trugen, erkannten sie offenbar nicht als Rechtsradikale. Einzig die anwesenden Mitglieder des Pankower Netzwerks gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt forderten irgendwann „Nazis raus!“ Daraufhin solidarisierten sich spontan und energisch einige Heinersdorfer Bürger mit den braunen Buben. „Das sind doch keine Nazis, nur weil die gegen die Moschee sind“, hieß es. Und: „Typisch, immer gleich in die rechte Ecke stellen.“
Kurze Zeit später machte einer der Rechten eine Armbewegung, die dem Hitler-Gruß nicht unähnlich waren. Der Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung, Jens-Holger Kirchner (Grüne), hat die zumindest missverständliche Geste gleich mehrfach beobachtet, mochte sie aber nicht deuten. „Ich kann nicht beurteilen, ob das ein Hitler-Gruß gewesen ist oder eher eine Geste, die sagen sollte: ‚Hau doch ab‘ “, sagte Kirchner.
Ähnlich ausweichend verteidigte sich die CDU-Fraktion. SPD, Linkspartei und Grüne wollten von den Christdemokraten wissen, wie sie zu ihrem Mitglied Martin Federlein stehen. Der hatte als Baustadtrat nichts gegen den Moschee-Bau einzuwenden, seine Partei macht mit seiner Ablehnung hingegen Wahlkampf. „Stehen Sie noch zu Ihrem Stadtrat?“, fragte der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Mindrup. „Klar doch“, entgegnete Ulrich Eichler (CDU). „Wir rütteln nicht am Baurecht. Aber die Standortfrage muss doch gestellt werden dürfen.“
Den Gipfel dialektischer Verrenkungen rund um den Protest gegen die Ahmadiyya-Moschee hatte aber bereits vor einem Monat Bernhard Lasinski vom CDU-Ortsverband Pankow-Nord erklommen. Wie erst gestern durch Presseberichte bekannt wurde, hatte er Anfang April am Protestmarsch der NPD gegen die Moschee teilgenommen. Der CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger will Lasinski deshalb aus seiner Partei ausschließen, erklärte er gestern. Sofortiges Handeln sei nötig, sagte Pflüger und forderte die Einleitung eines Parteiausschlussverfahren.
Für Stefan Liebich, den Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, kommt die Nachricht eines NPD-Sympathisanten in den Reihen der CDU nicht überraschend. Er warf der Partei vor, dass sie in der Debatte um den Bau der Moschee die Nähe von Rechtsradikalen und Neonazis nicht scheuen würde. Dies sei klar, seit sie dazu aufgerufen habe, „durch öffentlichen Druck und gegen geltendes Recht den Bau der Moschee zu verhindern“.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat unterdessen erklärt, er halte das von Heiner Flecks Initiative geplante Bürgerbegehren gegen die Moschee für verfassungswidrig. Körting verwies auf die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit. Dieses Argument tauchte auch bei der Debatte am Mittwoch auf. Prompt versuchte es ein Zuschauer zu widerlegen: „Was hat denn das Grundgesetz mit der Moschee zu tun?“ Torsten Gellner