: „Pieps“ vor dem Karlsruher Ermittlungsrichter
Zweieinhalb Wochen nach dem Potsdamer Überfall prüft der BGH, ob ein Beschuldigter aus der Haft freikommt
BERLIN taz ■ Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern erneut einen der Tatverdächtigen des Potsdamer Angriffs auf einen 37-Jährigen Afrodeutschen vernommen. Anlass war ein Antrag der Verteidigung, den 29-jährigen Björn L. nach gut zwei Wochen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Das Karlsruher Gericht gab seine Entscheidung bis gestern Nachmittag noch nicht bekannt.
Die Nachricht wird mit Spannung erwartet – denn sie könnte nach tagelangen Spekulationen über die Hintergründe der Tat richtungsweisend sein: Hält der BGH die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft gegen den Beschuldigten für ausreichend belegt? Zuletzt hatten Medien wiederholt berichtet, in Ermittlerkreisen gebe es Zweifel an der These eines fremdenfeindlich motivierten Mordversuchs – eine These, die Generalbundesanwalt Kay Nehm bis heute vertritt. So wurde mit Berufung auf anonyme Quellen behauptet: Es habe sich womöglich nur um eine Schlägerei unter Betrunkenen gehandelt, der lebensgefährlich verletzte Ermyas M. habe die Täter sogar selbst provoziert.
Bei dem nun erneut vom Ermittlungsrichter vernommenen 29-Jährigen handelt es sich um einen Türsteher aus Bergholz-Rehbrücke, der wegen seiner ungewöhnlich hohen Stimme unter dem Spitznamen „Pieps“ bekannt war. Zeugen wollen seine Stimme auf einem Mailbox-Mitschnitt vom Tatabend wiedererkannt haben. Ein kriminaltechnisches Gutachten im Auftrag von Generalbundesanwalt Nehm bestärkte diesen Verdacht. Björn L. sei „wahrscheinlich einer der Sprecher“, den man auf der Handymailbox höre, erklärte die Bundesanwaltschaft.
L. bestreitet alle Vorwürfe. Sein Verteidiger Veikko Bartel hat mehrfach berichtet, sein Mandant habe am Osterwochenende an einer Kehlkopfentzündung gelitten und daher nur gekrächzt.
Der Anwalt des zweiten Tatverdächtigen Thomas M. hat ebenfalls einen Haftprüfungsantrag gestellt. Der Bundesgerichtshof will darüber am kommenden Mittwoch entscheiden. Genau wie Björn L. bestreitet auch Thomas M., zur Tatzeit überhaupt am Tatort in Potsdam-Charlottenhof gewesen zu sein.
Dem Opfer geht es gut zweieinhalb Wochen nach dem Überfall etwas besser. Der 37-jährige Afrodeutsche wurde nach Angaben seiner Ärzte zur Rehabilitation in ein Berliner Unfallkrankenhaus verlegt und ist wieder ansprechbar. Ermyas M. sei aber noch nicht vernehmungsfähig, sagte eine Krankenhaussprecherin gestern.
Der Familienvater war in der Osternacht in Potsdam niedergeprügelt worden und dabei lebensgefährlich am Kopf verletzt worden.
Umstritten war bislang, inwiefern M. bei dem Angriff noch andere Verletzungen erlitt. Dazu erklärte die Krankenhaussprecherin gestern, außer den Kopfwunden hätten die Ärzte keine weiteren Verletzungen festgestellt.
Die Art der Verletzungen dürfte auch von juristischer Bedeutung sein. Hintergrund ist die Frage, ob den Verdächtigen vor Gericht eine Tötungsabsicht nachgewiesen werden kann.
ASTRID GEISLER