URS SIEGENTHALER, HSV-CHEFSCOUT : Jogis Auge
■ war seit 15 Jahren Spielebeobachter des DFB. Am 1. August wechselt er zum HSVFoto: dpa
Auf Urs Siegenthaler warten herrliche Wochen. Mit der deutschen Fußballnationalmannschaft reist der 62-jährige Schweizer nach Südafrika, beobachtet die Gegner, macht Trainer Löw Vorschläge für Taktik und Aufstellung. Das kann er, das hat er bereits bei den Großturnieren 2006 und 2008 bewiesen. Sein analytisches Auge und sein Sachverstand werden auf beiden Seiten der Alpen gerühmt. Dann kommen Wochen für ihn, die werden nicht so herrlich.
Vom gemütlichen badischen Umgangston in Löws Trainerteam wechselt er zum HSV, der die Position des neuen leitenden Angestellten beschädigt hat, bevor er sein Büro bezogen hat.
Das Dilemma begann bereits, als der Aufsichtsrat im Februar verkündete, sich auf Nachfolger für den vergraulten Sportchef Dietmar Beiersdorfer geeinigt zu haben. Erst langsam sickerte durch, dass Urs Siegenthaler zwar für die Bereiche Scouting, Nachwuchs und Kaderplanung verpflichtet wurde, aber keineswegs einen Vorstandsitz erhalten und damit auf gleicher Höhe mit Clubchef Hoffmann agieren sollte. Die Verantwortung für den sportlichen Bereich wurde in die Hände der bis dahin für das Marketing zuständigen Hoffmann-Stellvertreterin Katja Kraus gelegt. Siegenthaler wolle schließlich gar nicht in den Vorstand, hieß es.
Dann begann der sportliche Niedergang des HSV, Trainer Labbadia wurde entlassen und die Strukturen in Frage gestellt. „Die Krise ist doch nicht gekommen, weil wir keinen guten Chefscout haben“, sagte Supporter-Chef Ralf Bednarek und forderte wie viele andere einen starken Sportchef mit Sitz im Vorstand. Plötzlich hieß es aus dem Aufsichtsrat, Siegenthaler wolle doch in den Vorstand, aber nur wenn nicht außerdem noch ein neuer Sportchef käme. „Dann bin ich zu viel“, wurde er zitiert.
Montagabend nun verkündete Aufsichtratschef Becker, Siegenthaler würde nun doch kein Vorstandsmitglied und man suche noch einen richtigen SportChef. Siegenthaler habe mit der Konstellation null Probleme. Alles andere seien Missverständnisse. Der Schweizer hätte das auch selbst sagen können. Er zog es vor zu schweigen. RALF LORENZEN