DAS WIRD DER MONAT, DER WIRD (11/2013)
: Grobe Unwirklichkeit

PROPHETIE Franz-Peter Tebartz-van Elst wird Kapitän des vatikanischen Davis-Cup-Teams und Otto Rehhagel wieder Grieche

Die Fifa-Statuten haben keine Schlupflöcher wie die deutschen Stadionnetze

Braunschweig, 2. November: Die Fans von Bayer Leverkusen sind begeistert von sich selbst. Bei jedem Schuss, den Stefan Kießling gegen die Eintracht vorbeisemmelt, bejubeln sie ein Tor. „Sinsheim-Syndrom“, sagen Psychologen. Einmal wackelt sogar das Braunschweiger Außennetz. Es hält. Leverkusen gewinnt das torlose Unentschieden trotzdem mit 7:0.

Berlin, 8. November: Nach dem erfolgreichen Karriereende von Radsportler Andreas Klöden ist die Szene schwer deprimiert. „16 Jahre ohne chemische Helfer auf Weltniveau“, ätzt Antidopingaktivistin Sylvia Schenk, „das ist so glaubhaft wie eine Steuererklärung von Uli Hoeneß.“ Klöden, der Telekom-Olympiadritte von Sydney 2000 und spätere Armstrong-Helfer, gilt als Phantom: Keiner wurde so oft nicht erwischt wie er. Radsportchef Rudolf Scharping beweist seine großen Entertainer-Qualitäten, als er Klöden bei einer Verbandssitzung in den Berliner Messehallen als den „ungedoptesten Pedalritter seit Erfindung der Spritze“ feiert. Das schallende Gelächter der Funktionäre lässt den Funkturm wackeln.

Frankfurt, 14. November: Das Berufungsgericht des DFB fällt in der Causa Kießling ein überraschendes Urteil: Das Spiel in Hoffenheim wird wegen „grober Unwirklichkeit eines Torerfolges“ doch wiederholt. Dr. Felix Brych („Das ist ein Vertrauensbruch an der Unfehlbarkeit von Schiedsrichtern selbst bei Fehlern“) gibt das Ende seiner Karriere bekannt. Fifa-Boss Sepp Blatter („Unsere Statuten haben keine Schlupflöcher wie diese deutschen Stadionnetze“) will die Nachbarn von der WM ausschließen. Seine Domestiken berichten ihm von Deutschlands Wirtschaftsmacht im Weltfußball.

Belgrad, 15. November: Im Vorjahrs-Viertelfinale des Tennis-Davis-Cups waren der Serbe Janko Tipsarevic und der Gifttscheche Radek Stepanek (Mittelfingerzeigen beim Shakehands) heftig aneinandergeraten. Vor dem Finale 2013 der beiden stehen die Zeichen auch nicht auf Zuneigung. „Früher waren wir ein erfolgloses Doppel mit den Slowaken“, säuseln Prager Tennisbosse, „alleine werden wir diese jugoslawische Resterampe zerlegen.“ Novak Djokovic kontert: „Wir waren ein Dutzendvölkerstaat. Ohne diese lästigen 11 um uns herum sind wir tapferen Serben zur Vernichtung der Aggressoren bereit.“ Tausende Zuschauer nehmen das wörtlich und verwüsten die Halle. Beide Teams werden aus der Weltgruppe relegiert.

Vatikanstadt, 18. November: Kurz nach der „Bambule von Belgrad“ (Boris Becker) wittern kleine Länder ihre Chance. Nauru, die Färöer und endlich auch der Vatikan kündigen ihre Davis-Cup-Teilnahme 2014 an. Der Kirchenstaat hatte im Oktober schon eine eigene Cricketmannschaft gegründet. Papst Franziskus benennt als Teamchef den emeritierten Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst: „Da soll der große deutsche Kirchenarchitekt mal zeigen, ob er außer Nichtbauen noch was kann.“

Bukarest, 19. November: Die Fußball-WM 2014 ist um eine große Attraktion reicher: Griechenland scheitert in den Playoffs nach zwei 0:0 im Elfmeterschießen an Rumänien. „Maurerfußball letztlich bestraft“, kommentiert der Kicker. Postwendend protestiert die Maurerinnung gegen „die Diskriminierung unseres ehrbaren Handwerks“. Der gelernte Malergeselle Otto Rehhagel, 107, wird wieder griechischer Trainer: „Mit 111 will ich zur WM nach Russland.“

Dortmund, 23. November: Begonnen hatte es Ende Oktober mit den 34:0 Torschüssen gegen Pilsen in der Champions League. Das Hertha-Spiel (3:2) war ein letzter Ausrutscher. Seitdem hatte Bayern München keinem Gegner mehr eine Torchance gelassen. Erst Borussia Dortmund, „diese lästige Ligazecke“ (Karl-Heinz Rummenigge), schafft einen verzweifelten Fernschuss, der als abgefälschter Kullerball durch Manuel Neuers Beine in der Nachspielzeit zum 1:0 im Tor landet. Borussia ist neuer Tabellenführer. Pep Guardiola, der nach drei Stunden Meditation „gebückt wie ein greiser Mann von der Trainerbank geführt wird“ (WAZ), will zukünftig „die defensive trabacho noch muy verbessern“. Philipp Lahm ist stinksauer: „Wenn ein Gegner aufs Tor schießen darf, ist das weit unter unserem Niveau.“

BERND MÜLLENDER