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Archiv-Artikel

Hamas und Fatah bekämpfen sich

Bei einem Gefecht im Gaza-Streifen kommen drei Palästinenser ums Leben. Hintergrund ist ein Streit über die Kontrolle der bewaffneten Kräfte. Beide Bewegungen rüsten auf. In der Bevölkerung wächst der Unmut über die ausbleibenden Löhne

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die blutigsten Auseinandersetzungen seit der Übernahme der palästinensischen Regierung durch die Islamisten haben gestern morgen drei Tote im Gaza-Streifen gefordert. Ein Hamas-Aktivist und zwei der ehemaligen Regierungspartei Fatah angehörenden Männer starben bei einem Gefecht mit Gewehren und Anti-Panzer-Raketen, das ausbrach, als mehrere zuvor entführte Geiseln ausgetauscht werden sollten. Der Zwischenfall ereignete sich in dem Dorf Abassan unweit des Flüchtlingslagers von Khan Younis im südlichen Gaza-Streifen.

Hintergrund der Konfrontation ist der Machtkampf um die bewaffneten Kräfte. Nachdem der palästinensische Innenminister Saed Siam ankündigte, noch diese Woche bewaffnete Hamas-Truppen aufzustellen, droht sich der Konflikt zu verschärfen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verweigerte der Bildung dieser armeeähnlichen Brigade mit rund 2.000 Mann seine Zustimmung und drohte gar mit der Auflösung der Regierung. Außenminister Mahmud Sahar reagierte zornig auf die „Serie der Vorschriften“ des Palästinenserpräsidenten, der damit die Macht des Hamas-Kabinetts untergrabe. Ungeachtet der Order von Abbas rekrutierte Innenminister Siam in der vergangenen Woche 3.000 weitere Polizisten für die Aufgabe, die Gesetzlosigkeit und die palästinensischen Hausbesetzer in den evakuierten jüdischen Siedlungen unter Kontrolle zu bringen.

Um der Aufrüstung der Hamas nicht tatenlos zuzusehen, kündigte umgekehrt eine Fatah-Gruppe die Aufstellung einer Brigade mit 3.000 Kämpfern an. „Wir wollen keine Auseinandersetzungen, aber wenn es dazu kommt, dann sollen uns nicht die Hände gebunden sein“, so Muatasem Billah, ein Sprecher der neuen Streitmacht.

Beide Bewegungen befinden sich derzeit offenbar in einem Rüstungswettbewerb. Berichten der liberalen israelischen Ha’aretz zufolge soll Hamas die Fatah bei dem Kauf von 100.000 Patronen auf dem schwarzen Markt „überboten“ haben. Der proisraelische Online-Nachrichtendienst Debka-file berichtete zudem von der „größten Waffentransaktion“ seit Bestehen der Hamas. Dabei ginge es um einen 250.000-Dollar-Handel mit Waffenschmugglern im Sinai.

Die Unruhen werden begleitet von dem zunehmendem Unmut in der Bevölkerung über die ausbleibenden Gehälter für die Beamten der Autonomiebehörde. Die Regierung ist infolge des westlichen Boykotts und der Einstellung der Überweisung der palästinensischen Zoll- und Steuergelder durch Israel nicht in der Lage, die Gehälter von gut 140.000 Mitarbeitern der Autonomiebehörde zu zahlen.

Einer Mitteilung der Weltbank zufolge ist die Lage kritischer als zunächst vermutet. Im März hatte sie prognostiziert, dass die Arbeitslosenrate bis zum Jahresende auf 40 Prozent ansteigen und das Pro-Kopf-Einkommen auf 30 Prozent zurückfallen werde. „Diese Daten sind zu niedrig angesetzt“, heißt es in der jüngsten Mitteilung. „Eine Fortsetzung der Krise bedroht die palästinensischen Institutionen und kann den Strukturen, die die Geberländer seit 1993 aufbauten, ernsthaften Schaden zufügen.“