piwik no script img

Archiv-Artikel

Träume jagen bringt auf Dauer auch nicht viel

Die Sicherheit der zivilisierten Welt wird im Weltraum verteidigt. Ja, da staunen Sie. Nicht im Untersuchungsausschuss der Bundesregierung zur NSA-Affäre, auch nicht beim Kaffeekränzchen des ewigen Direktmandats-Grünen Christian Ströbele mit Whistleblower Edward Snowden in Moskau – nein, im Weltall. Während sich die Welt nämlich mit der unerhörten Erkenntnis herumschlägt, dass der US-Geheimdienst seiner Arbeit nachgeht, entfaltet ein mehr als fünfzig Jahre zurückliegendes Ereignis fast unbemerkt Wirkung.

Damals, 1957, als der US-Geheimdienst seiner Arbeit vielleicht noch nicht so gut nachging, erlitten die Vereinigten Staaten einen schweren Schock, weil die Sowjets einfach so den ersten Satelliten der Geschichte in die Erdumlaufbahn geschossen hatten, der vom All aus nun die militärischen Anlagen der Amis auszuspionieren drohte. Das Ding hieß Sputnik, der Schock dann auch, und wie es in den USA nach einem schweren Schock eben üblich ist, wurde umgehend eine neue Behörde gegründet. Die Advanced Research Projects Agency sollte neue, noch abgefahrenere Weltraumtechnologien entwickeln, um den Russen die Butter wieder vom kalten Kriegsbrot zu kratzen.

Was heute niemand so richtig auf dem Radar hat: Es gibt diese Behörde immer noch, nur mehr ergänzt durch das sinnige Präfix „Defense“, weshalb Eisenhowers Baby nun Darpa gerufen wird. Der Weltraum allerdings, der ist inzwischen umgezogen, und zwar dahin, wo moderne Machtkämpfe wahrhaftig ausgefochten werden, und das ist immer noch nicht das Internet von Lieschen Müller oder das Handynetz deutscher Spitzenpolitiker, nein, es ist das menschliche Gehirn.

Warum auch sonst haben Obama und die EU erst in diesem Jahr einen neuen Wettlauf angezettelt und absurde Millionenbeträge in die Erforschung des menschlichen Denkorgans gepumpt? Wissenschaft, Medizin, Menschenwohl? Really? Es geht natürlich allein um die Sicherheit. Dabei leuchtet ein, dass jede potenziell sicherheitsrelevante Information, die das Gehirn erst einmal Richtung Google verlassen hat, nur noch Second Brain sein kann, und damit nicht mehr wirklich zuverlässig. Aber wie kommt man unauffällig an die Substanz, den Info-Rohstoff, die Ressource schlechthin?

Vor wenigen Tagen hat die Darpa bekannt gegeben, in eine neue, viel abgefahrenere Technologie investieren zu wollen, und zwar die tiefe Hirnstimulation per Gehirnimplantation. Mögliche Arbeitstitel: Deep Thought Down oder auch: Friendly Firing. Offiziell soll das Projekt erst mal dem plausiblen Zweck dienen, traumatisierte Kriegsveteranen wieder auf die neuronale Spur zu bringen und dann auch die Anwendung für viele verbreitete andere psychiatrische Störungen zu erforschen.

Raffinierter Trick, zumal aus der zivilen Klinik von Fällen berichtet wird, in denen man aus Schwerstdepressiven per Stromstößchen sonnige Wesen macht. Wenn sich nun die amerikanische Psychiatric Association mit ihrem weltweit genutzten Diagnosehandbuch DSM weiter so erfinderisch zeigt, wenn es um neue psychische Leiden geht, dann haben in 20 Jahren mehr Menschen ein Implantat im Kopf als einen Internetanschluss zu Hause.

Aber es gibt immer noch einen Ausweg: das Weltall, das genuine, die große Zuflucht, unendliche Weiten, die der Mensch allerdings noch nie gesehen hat, jedenfalls nicht mit eigenen Augen. Und der Weg dahin ist deutlich weiter als ins Gehirn. Man vergisst auch leicht, dass die Reichweite bemannter Explorationen seit 44 Jahren so ziemlich dieselbe geblieben ist. Einmal Mond und bloß schnell wieder zurück, weil es auf der Erde immer noch gemütlicher ist.

Der Mars ist als Zielscheibe frohgemuter Perspektiven derweil immer noch nicht verschlissen, weshalb jetzt auch Indien seine Fühler nach jener rötlichen Wüste ausstreckt, in der ernüchterte Forscher heute schon glücklich wären, Hinweise auf irgendwas Einzellerartiges zu finden. Und die Suche nach einem adäquaten Reiseziel ist bisher auch durch den Exoplaneten-Hype zu keinem glücklichen Ende gekommen.

Der bisher beste Kandidat, der am Donnerstag in einem Wissenschaftsjournal vorgestellt wurde, heißt Kepler 78b, besteht aus Stein und Eisen wie die Erde und hat auch die gleiche Dichte. Ansonsten eher ein Ort für abtrünnige Bischöfe und alle, die man zur Hölle wünscht. Die Oberflächentemperatur von 78b liegt um 2.700 Grad Celsius

Die Jagd nach dem Traum von der Flucht scheitert aber wohl sowieso erst mal am Transportmittel. Der Dream Chaser jedenfalls, der die alten Shuttle ersetzen soll, hat nach seinem ersten Flug vor wenigen Tagen eine bilderbuchmäßige Bruchlandung hingelegt.

KATHRIN ZINKANT