: Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
Das Landgericht Frankfurt sah mindestens einen Grund, weshalb Armin Meiwes’ Tat mehr als ein Totschlag war
FRANKFURT/MAIN taz ■ Den Begriff Kannibalismus sucht man im Strafgesetzbuch vergeblich. Im Prozess gegen Armin Meiwes kamen drei mögliche Delikte in Betracht: Tötung auf Verlangen, Totschlag und Mord.
Die Verteidigung plädierte auf „Tötung auf Verlangen“. Sie wird mit einer Höchststrafe von fünf Jahren am mildesten bestraft. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Täter „durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt“ wurde. Alle Instanzen haben dies bisher verneint, weil Armin Meiwes aus eigenem Antrieb, nicht nur seinem Opfer zuliebe, tötete.
Im ersten Prozess beim Landgericht Kassel war Meiwes wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Als Totschlag gilt jede vorsätzliche Tötung, bei der kein Mordmerkmal vorliegt. Der Strafrahmen reicht von fünf Jahren bis „lebenslänglich“. Die Staatsanwaltschaft hatte mit ihrer Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) Erfolg. Er hielt ein Urteil wegen Mordes für nahe liegend, weil zumindest ein Mordmerkmal vorliege.
Bei der Neuauflage des Prozesses nahm die Staatsanwaltschaft nun an, dass Meiwes drei Mordmerkmale erfüllte. Er habe „zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs“ getötet, weil er von der Tat ein Video anfertigte, das er später anschaute, um sich sexuell zu stimulieren. Zudem habe die Tötung dazu gedient „eine andere Straftat zu ermöglichen“. Gemeint ist die „Störung der Totenruhe“. Es komme hier auf das „Pietätsgefühl der Allgemeinheit“ an, nicht auf die Vorstellung des Opfers, das einverstanden war, aufgegessen zu werden.
Als drittes Mordmerkmal sah die Staatsanwaltschaft bei Meiwes auch „niedrige Beweggründe“ gegeben. Meiwes habe durch die Dominanz über sein Opfer auch sein eigenes Selbstwertgefühl steigern wollen.
Das Landgericht nahm zumindest einen Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs an. Deshalb das Urteil „lebenslänglich“: Meiwes muss mindestens 15 Jahre ins Gefängnis, bis eine Haftentlassung geprüft werden kann. Hätte das Gericht, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, eine „besondere Schwere der Schuld“ angenommen, wäre die Mindestverbüßungszeit länger gewesen.
CHRISTIAN RATH
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