: Merkel bleibt beinhart
CDU Asyl für Snowden? Nicht mit uns, sagt die Kanzlerin. Das würde die Freunde in den USA empören. Wenn Snowden reden will, dann nur in Moskau
BERLIN taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat erneut bekräftigt, Edward Snowden keine Aufnahme in Deutschland anzubieten. Außen- und Innenministerium seien bereits im Juli zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Whistleblower die Voraussetzung für Asyl nicht gegeben seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. „Das transatlantische Bündnis bleibt für uns Deutsche von überragender Bedeutung.“ Diese Einschätzung werde alle Entscheidungen Merkels in der Zukunft leiten.
Die Kanzlerin bleibt damit bei ihrem bisherigen Kurs. Merkel will diplomatische Eklats mit einem der wichtigsten Bündnispartner unbedingt vermeiden. Und sie ist offenbar nicht zu einer schärferen Gangart gegenüber den USA bereit, obwohl jüngst bekannt wurde, dass der amerikanische Geheimdienst NSA selbst ihr persönliches Handy abhörte. Indem sie auf die „überragende Bedeutung“ der deutsch-amerikanischen Partnerschaft hinweisen lässt, sendet sie ein Signal nach Russland: Snowden, der nach wie vor darauf hofft, in einer westlichen Demokratie unterzukommen, darf auf Deutschland nicht zählen.
Am Montag beschäftigten sich auch die Gremien der CDU mit dem Fall. Generalsekretär Hermann Gröhe sagte nach der Vorstandssitzung: „Wir haben ein Interesse an Aufklärung. Diese wird selbstverständlich auch im Bundestag stattzufinden haben.“ Es entspreche aber dem Interesse des Landes, Fragen zur Sicherheitsarchitektur im Parlamentatarischen Kontrollgremium zu erörtern, betonte Gröhe. Dieses müsse entscheiden, wie mit Snowdens Angebot umzugehen sei, in Russland Fragen zu beantworten.
Damit kristallisiert sich eine Linie der regierenden CDU heraus: Während sie lange so tat, als gehe sie dieser Snowden nichts an, kann sie sich jetzt vorstellen, ihn zumindest in Moskau zu befragen. Sie will aber in jedem Fall verhindern, dass er deutschen Boden betritt. Diesen Kurswechsel hatte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bereits am Freitag angedeutet. „Wenn die Botschaft heißt, Herr Snowden will uns etwas sagen, nehmen wir das sehr gerne auf.“ Ein Sprecher präzisierte gestern Friedrichs Satz – und ergänzte den Ort einer möglichen Befragung. Sollte es zu einem Untersuchungsausschuss kommen, gebe es die Möglichkeit für dessen Mitglieder, Snowden in Russland zu befragen, so der Sprecher.
Der Ort der Befragung ist dabei von entscheidender Bedeutung. Käme Snowden an einem deutschen Flughafen an, könnte er offiziell einen Antrag auf Asyl stellen – dies geht nur unmittelbar an einer deutschen Grenze. Die USA würden in einem solchen Fall vermutlich sofort eine Auslieferung fordern. Die Bundesregierung befände sich in einem Dilemma, bei dem sie nur verlieren könnte. Würde sie Snowden ausliefern, wären ihr Kritik und Empörung aus Staaten der ganzen Welt sicher. Würde sie ihn zurück nach Moskau schicken, wäre dies eine harsche Brüskierung der USA und der nächste diplomatische Eklat.
Grüne und Linkspartei forderten eine Anhörung Snowdens in Deutschland. Die Regierung müsse alle Möglichkeiten nutzen, so dass Snowden hierzulande aussage und Schutz erhalte, sagte der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. Snowden müsse nicht an die USA ausgeliefert werden. Die Linken argumentierten ähnlich.
ULRICH SCHULTE