Minister im Abschiebelager

Uwe Schünemann besucht die umstrittene Einrichtung in Bramsche. Einige Flüchtlinge klagen über menschenunwürdige Bedingungen, andere finden es hier „wundervoll“. Und die Kameras klicken

Sein Bewacher greift zum Pistolenhalfter, Uwe Schünemann hebt beschwichtigend die Hände. Ein kleiner Tumult entsteht, als Niedersachsens Innenminister vor der Kantine der Aufnahmestelle Bramsche aus dem Bus steigt. „Wie in Guantánamo“ sei es hier, „es gibt hier keinen Respekt für uns“ oder „der Hausmeister hat mich mit dem Gummiknüppel geschlagen“, rufen aufgebrachte Flüchtlinge. Die Stimmung ist gespannt, Kameras klicken.

Das Lager ist umstritten: 500 Flüchtlinge aus derzeit 33 Nationen, deren Asylanträge abgelehnt sind oder wahrscheinlich abgelehnt werden, sind in Bramsche untergebracht, manche seit Jahren. Flüchtlingsorganisationen nennen es den „größten Abschiebeknast Europas“, Insassen klagen über „Lagerkoller“, menschenunwürdige Unterbringung, schlechtes Essen, unzureichende medizinische Behandlung.

„Wie ist denn der Stand ihres Asylverfahrens?“, fragt Schünemann völlig ruhig den wild gestikulierenden Yakoub Hana. Der 31-jährige Palästinenser setzt sich in der Kantine, einem kargen, verkachelten Kastenbau, sofort neben den CDU-Mann und ruft den Kamerateams zu: „Wir leiden wie die Hunde! Filmen Sie uns!“ Später wird der Innenminister sagen, er sei „verärgert“ über Unterstützergruppen wie den Verein Avanti, die den Aufruhr „inszeniert“ hätten.

Laut Speisekarte gibt es „Rinder-Frikadellen mit Ratatouille-Gemüse, Kartoffeln, Reis oder Nudeln“, es schmeckt gar nicht schlecht. „Wir bemühen uns, freundlich zu sein, seien Sie es auch“ steht in vier Sprachen auf einem Schild. „Eine Banane für drei Personen“, beschwert sich ein Junge und schmeißt eine Kelle Richtung Koch. „Wir haben heute nicht getrickst, es ist die ganz normale Wochenlage“, flüstert Lagerleiter Conrad Bramm dem Minister zu.

Jude Ojbuji steht an einem „Solarkocher“, einem Parabolspiegel, in dessen Mitte Würstchen braten – nur durch die Hitze der Sonne. „Ich habe hier auch Dächer und Toiletten reparieren gelernt“, sagt der Angolaner. Im Herbst muss er zurück in sein Heimatland, dann wird ihm das nützen. Auch Tischler-, Maler- oder Klempnerkurse gibt es in Bramsche. „Ich weiß nicht, was die alle haben“ sagt Ojbuji. „Es ist wundervoll hier.“

„Die Arbeit hier ist eine sehr schwere“, sagt Christian Lüttgau, der Leiter der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde in Oldenburg, deren Zweigstelle Bramsche ist, während von draußen „Rassist“-Schreie hereindringen. Dann spricht Lüttgau vom erfolgreichen „Rückkehr-Beratungsansatz“ in Bramsche. Gruppen wie Avanti werfen den Behörden vor, sie würden die Flüchtlinge per Sanktionen zwingen, in ihre Ausreise einzuwilligen. Lüttgau betont, es habe im vergangenen Jahr 117 „freiwillige“ Rückkehrer gegeben. Die meisten Flüchtlinge haben jedoch das Problem, dass sie gar keine offizielle Heimat haben und so auch nicht abgeschoben werden können.

Um diesem „Abschiebehindernis“ zu begegnen, gibt es die Strafen. Wer an „der Feststellung seiner Identität“ nicht mitwirkt, bekommt statt 40 Euro Taschengeld monatlich einen Gutschein in Höhe von 15 Euro. In der Kantine zeigt ein 24-jähriger Aserbaidschaner einen Bußgeldbescheid über 1.039,35 Euro vor. Lüttgau: „Die Höhe zeigt, dass es sich um einen Wiederholungstäter handelt.“ Kai Schöneberg