: Landschaft der verwaisten Möglichkeiten
GELD In seinem Film „Master of the Universe“ lässt Marc Bauder einen Exbanker über die Arbeit in der Finanzwirtschaft sprechen
In Frankfurt am Main steht ein Wolkenkratzer leer. Zwei Banken haben dort fusioniert, zurück blieb eine unbenutzte Immobilie. Das ist ein schönes Symbol für die Verwüstungen, die die Finanzkrise in der Landschaft hinterlässt: Es sind keine Ruinen, die zurückbleiben, sondern verwaiste Möglichkeiten, unterbrochene Geschichten, Leerlauf.
Es fällt auf, wie schwer sich der intellektuelle Betrieb tut, die komplexen Sachverhalte, auf die die kapitalistischen Gesellschaften sich verwiesen sehen, analytisch zu durchdringen. Nun macht der Filmemacher Marc Bauder wieder einmal einen Versuch. Er bedient sich dazu eines klassischen Verfahrens und lässt einen Kronzeugen sprechen. Rainer Voss, langjähriger erfolgreicher Angestellter bedeutender Investmentbanken, „packt aus“, wie es in den Liner Notes zu „Master of the Universe“ heißt.
Gedreht wurde auf einem ehemaligen Trading Floor in dem besagten leerstehenden Gebäude, mit Blick auf die Wabenstruktur der anderen Türme in Frankfurt, in denen weiterhin intensivst gehandelt wird. Voss erzählt von seinen Erfahrungen in diesem Betrieb, in dem die Jungen sich dadurch erste Verdienste erwerben, dass sie Nächte im Büro zubringen (wer von der Reinigungskraft am Schreibtisch angetroffen wird, hat den ersten Test bestanden). Wir erfahren von einem Betrieb, der die Mitarbeiter voll und ganz beansprucht, und in dem Headhunter eine Nacht lang das Telefon klingeln lassen, wenn sie es auf einen Banker abgesehen haben.
Der Titel von Marc Bauders Film beschreibt ein Gefühl, das in den Aussagen von Voss zwar noch in Spuren zu erkennen ist, das aber durch seine Erzählungen nur noch zum Teil gedeckt wird: So wird die Hybris der Bankenwelt zum Beispiel in dem Suhrkamp-Interviewband „Strukturierte Verantwortungslosigkeit“ viel eingehender deutlich. Und was das Verständnis der Gesamtkonstellation betrifft, ist Voss nicht viel schlauer als der aufmerksame Zeitungsleser auch: „Niemand versteht die Rechnungslegung der Deutschen Bank.“
Die Krise des Kapitalismus ist auch eine Krise seiner Interpreten, das erweist sich einmal mehr an „Master of the Universe“, der es sich in vielerlei Hinsicht zu einfach macht. Marc Bauder erliegt nämlich dem Irrtum, dass sich das System von innen besser beschreiben ließe als von außen. Der letztendlich moralisierende Tonfall von Voss führt in die Sackgasse der Gewissenserforschung. Gefragt aber sind Formen für Komplexität. „Master of the Universe“ kommt über Fassadeneffekte nicht hinaus. BERT REBHANDL
■ „Master of the Universe“. Regie: Marc Bauder. Deutschland/Österreich 2013, 88 Min.