„Schweigen bringt gar nichts“

PODIUM Linke diskutieren über wachsenden Nationalismus in Europa und rechte Eurokritik

■ 31, ist seit zwei Jahren jugend- und bildungspolitischer Sprecher des Landesverbandes der Bremer Linkspartei.

taz: Herr Rave, Sie haben in der Einladung zur Podiumsdiskussion vom Vorabend der „Reichskristallnacht“ geschrieben ...

Sebastian Rave: Dieses Wort habe ich wirklich benutzt? Ich muss mich entschuldigen, das war wohl der Eile geschuldet – das ist mir sehr peinlich! Was ich sagen wollte, war, dass wir den 8. November ganz bewusst als Datum für unsere Veranstaltung gewählt haben.

Warum?

Weil es um zunehmenden Nationalismus in Europa geht, um neue rechte Parteien wie die Alternative für Deutschland und letztendlich um die Frage, wie die Linke damit umgehen soll.Die AfD hat aber ausgerechnet lobende Worte für den Linken Oskar Lafontaine gefunden, weil der für eine Rückkehr zu nationalen Währungen plädiert hat – wie soll die Linke denn damit umgehen?

Ich bin nicht der Meinung, dass der Vorschlag richtig war. Aber die Linke übt durchaus Kritik an EU-Bürokratie, an der Troika, am EU-Rettungspaket. Sie hat eine Idee von einem Europa von unten, aber sie hat den großen Fehler begangen, diese Positionen so gut wie gar nicht im Wahlkampf thematisiert zu haben.

Wie erklären Sie sich das?

Vielleicht damit, dass man in Ruhe die sehr komplizierten Hintergründe der Eurokrise erklären muss. Das ist nicht einfach und das erfordert Geduld. Aber Schweigen bringt natürlich gar nichts, denn auf diese Weise überlässt man den Rechten das Feld. Die Linke muss da aktiver werden, sonst greifen die einfachen Erklärungen.

Also solche wie die der AfD?

Ja, genau. Die hat ganz geschickt linke Kritik aufgegriffen, piratisiert und verfälscht und damit einen Nerv getroffen. Die AfD hat nicht wie die NPD mit reinem Nationalismus oder stumpfem Rassismus gespielt und ist deswegen auch von Menschen gewählt worden, die sonst eher linke Positionen vertreten. Dass die AfD ultrakapitalistisch ist, dass sie menschenverachtende Standpunkte vertritt, das bekommt man ja erst auf den zweiten Blick mit.

Welche Chancen räumen Sie der AfD bei den Europawahlen ein?

Ich fürchte, dass die Wahlen zu einem günstigen Zeitpunkt für die AfD kommen. Die Eurokrise ist noch nicht vorbei, sie wird auch in Deutschland aufgrund unserer Abhängigkeit von der Exportwirtschaft ankommen – da ist genug Stoff für die AfD drin. Das wird keine Eintagsfliege bleiben, leider.  Interview: SCHN

19 Uhr, Kuß Rosa, Buntentorsteinweg 143