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Archiv-Artikel

Märklin bekommt eine neue Chance

Der britische Finanzinvestor Kingsbridge kauft den Modelleisenbahnbauer und will ihn wieder fit für den Markt machen. Auch junge Leute sollen Spaß an der Detailtreue bekommen. Die Werke in Sonneberg und Nürnberg stehen weiter auf der Kippe

VON STEPHAN KOSCH

Märklin gehört seit gestern dem britischen Finanzinvestor Kingsbridge Capital. Alle 22 Altgesellschafter, darunter auch Nachfahren der Gründerfamilie Märklin, haben am Donnerstagabend ihre Anteile an Kingsbrigde verkauft. Die mehr als 1.300 Mitarbeiter dürften zunächst erleichtert sein. Die Banken hatten gedroht, ihre Kredite zurückzufordern, weil sich die Verkaufsverhandlung hinzog. Das hätte das Aus für Märklin bedeutet. Denn das Unternehmen steckt tief in den roten Zahlen und hat sein Eigenkapital fast aufgebraucht.

Nach einem Verlust von 14 Millionen Euro 2004 schloss Märklin auch 2005 mit einem Minus ab. Das lag bei 6,8 Millionen Euro. Hauptgrund waren vor allem Kosten für Personalabbau. Denn Märklin kämpft seit Jahren mit sinkenden Umsätzen. Die Züge im Kleinformat werden zwar unter Modellbahnfreaks wegen ihrer Detailtreue und aufwändigen Technik geschätzt. Aber die Lokomotiven und Waggons der Göppinger Firma sind deshalb vergleichsweise teuer.

So kostet ein ICE 3 von Märklin um die 370 Euro. Die Thüringer Firma Piko hingegen bietet den gleichen Zug für 140 Euro an. Märklin hatte zwar behauptet, dass Piko kopiere. Diesen Vorwurf konnte Piko aber per einstweilige Verfügung zunächst abschmettern. Offenbar liegt der günstigere Preis doch daran, dass die Thüringer viele Teile in Fernost produzieren lassen. Sie begreifen ihre Produkte als Spielzeug – und nicht als Wertanlage. Deshalb müssen die Züge dem echten Vorbild nicht bis hin zur letzten Niete gleichen.

Märklin hingegen bedient den Markt der leidenschaftlichen Sammler und baut selbst kleinste Zahnräder und Puffer selbst. 90 Prozent der Teile stellt Märklin in seinen Werken in Göppingen, Nürnberg, Sonneberg und im ungarischen Győr her. „Wir brauchen Spezialteile, die oft nicht auf dem Markt zu bekommen sind“, sagt Unternehmenssprecher Roland Gaugele. „Made in Germany“ sei ein wichtiger Bestandteil der Markenidentität.

Und die lobt auch der neue Besitzer: „Märklin ist eine der besten Marken der Welt“, sagte Mathias Hink von Kingsbridge Capital gestern. Sie soll noch bekannter, der Vertrieb innerhalb Europas ausgebaut werden. Außerdem müsse Märklin „wieder an jüngere Leute herangeführt“ werden. Vier bis sechs Jahre will Kingsbridge Märklin behalten und in dieser Zeit wieder profitabel machen. Über eine mögliche weitere Streichung von Stellen wurde gestern nichts gesagt. „Der Ansatz heißt Kosten und nicht Personal“, sagte Unternehmenschef Paul Adams und verwies dabei auf die Werke in Sonneberg und Nürnberg.

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Laut Stuttgarter Zeitung soll er bei 30 Millionen Euro liegen. Allerdings solle Kingsbridge zunächst nur 13 Millionen Euro zahlen. 2 Millionen blieben für eventuell nicht entdeckte Probleme unter Verschluss. Und den Rest erhielten die Altgesellschafter erst, wenn Märklin weiterverkauft worden sei.