: Schwebende Schönheit
KINO Vor 50 Jahren wurde das International eröffnet, der Filmpalast der Hauptstadt der DDR. Die Architektur begeistert noch heute, das Ambiente verströmt nur einen Hauch von Ostalgie. Technisch ist das Kino mit dem tollen Vorhang auf dem neuesten Stand
■ Zum 50-Jährigen des International startet am Montag eine zehntägige Jubiläumsreihe.
■ Am Montag hat „Eltern“ Premiere, der neue Film von Robert Thalheim. Anwesend sind der Regisseur und die Hauptdarsteller Christiane Paul und Charly Hübner.
■ Mittwoch, Samstag und Montag nächster Woche gibt es Sondervorstellungen der Mongay-Reihe.
■ Am 16. und 17. November feiert das International mit acht filmischen Meilensteinen aus fünf Jahrzehnten. Unter anderem „Solo Sunny“ (Samstag, 14.15 Uhr): Der Film von Konrad Wolf und Wolfgang Kohlhaase ist mit über 100.000 Besuchern der erfolgreichste in der Geschichte des Kino International.
■ „Coming Out“ (21.30 Uhr): Der erste DDR-Film zum Thema Homosexualität feierte am 9. November 1989 Premiere im International. „Spur der Steine“ (Sonntag, 10.45 Uhr): Frank Beyers allzu ehrliche Innenansicht der DDR-Arbeitswelt wurde drei Tage nach der Premiere im International 1966 verboten.
Das gesamte Programm unter www.yorck.de
VON ANDREAS BECKER
Kinos stehen ja meist nicht als Solitäre in der Stadt herum, sondern sind oft integriert in Wohnbauten oder andere Komplexe. Sie machen sich so leider oft ein wenig unsichtbar – abgesehen von den neueren Klotzbauten der Multiplexe. Als die DDR im Jahr 1963 das Kino International errichten ließ, hatte man viel Platz und entschied sich für einen weit sichtbaren Kinobau, auf den man stolz sein konnte an der Stalinallee in Mitte. Mit der neun Meter über das Erdgeschoss herausragenden Glasfront im ersten Stock schuf man sogar eine Art Schaufenster für die Öffentlichkeit – in der sonst gern Versteck spielenden DDR-Gesellschaft ein ziemliches Ding. Wahrscheinlich hat man dann auch die Vorhänge öfter mal zugezogen.
Es gab aber auch Geheimnisse. In dem Gebäude mit seinen vielen Gängen, die vom Vorführraum abzweigen, verbarg sich ein gar nicht mal so kleines Klub- oder auch Geheimkino. Hier konnten Kulturfunktionäre – schön abgeschieden – mal einen Sexfilm konsumieren. Oder in Ruhe über Zensurmaßnahmen für obskure Defa-Filme beraten, in denen aufmüpfige Regisseure den Sozialismus beleidigen wollten. Sogar einen kleinen Bunker soll es geben, in dem sich die Staatsführung bei einem Angriff hätte verstecken können. Und es gab einen „Repräsentationsraum“ – die heutige „Honecker Lounge“ –, der immer noch einen leicht ostigen Muff von Vatertag verströmt.
Neben dem International hatte der Architekt Josef Kaiser auch das benachbarte Kino Kosmos entworfen. Das wurde tragischerweise als erstes Kino der Nachwendezeit zu einem Multiplex erweitert, was ihm leider eine vorgelagerte Tiefgarage und einige rangepappte kleinere Säle bescherte. Es ging dann pleite und wird heute nur noch für irgendwelche Veranstaltungen genutzt. Josef Kaiser entwarf, unschwer zu erraten, auch das Cafe Moskau gegenüber des Kinos International. Es lebe der Denkmalschutz!
Ein Saal mit heute 551 Plätzen
Am schönsten im International sind vielleicht gar nicht das schon fast zu prächtige und großformatige Foyer im ersten Stock und der richtig große Saal mit seinen heute 551 Plätzen – sondern die beiden Treppenaufgänge mit ihren hellen Klinkersteinen und die darin eingefassten Lampen. Und natürlich draußen das riesige, immer noch handgemalte, jeweils aktuelle Kinoplakat.
Selbst das Programm des International schrieb Geschichte: Lustigerweise hatte just am 9. November 1989 der Film „Coming Out“ Premiere, der erste DDR-Film mit zentral schwuler Thematik. Noch heute ist MonGay einmal die Woche ein wichtiger Termin für schwules Kino in Berlin. 1987 lief der „Westfilm“ Dirty Dancing wochenlang mit teilweise sechs Vorführungen am Tag. Sogar „Einer flog übers Kuckucksnest“ wurde hier 1976 gezeigt. Heute gehört das Haus zur Yorck-Kinogruppe. Während der Berliner Filmfestspiele im Februar ist es eine der wichtigsten Spielstätten.
Die DDR veranstaltete in dem Kino gerne Festivals. Ich als kleiner Wessi habe es in den Achtzigern sogar mal geschafft, hier einen osteuropäischen Film zu sehen, den ich nicht kapierte. Vorher gab’s ne Rede von einem hohen Kulturtier. Karten konnte man, wie oft in der Zone, nicht einfach so an der Kasse erwerben, sondern musste sie am besten mit Hilfe von Westgeld irgendwem abschwatzen.
Damals sollen so um die 50 Leute im International gearbeitet haben, die zum Morgenappell antreten mussten. Alles feste Stellen wahrscheinlich. Heute bräuchte man nicht mal mehr unbedingt einen Kinovorführer. Im Prinzip könnte man den Digitalfilm auch von einem Smartphone aus starten. Die zwei noch aus DDR-Produktion stammenden Projektoren – sogar für 70mm-Filme geeignet – stehen zwar noch rum und werden auch bei den 50-Jahr-Feiern genutzt. Aber der neue Chef ist natürlich der teure, mit Fördergeldern angeschaffte Digitalprojektor.
Als der Geschäftsführer der Yorck Kinos, Christian Bräuer, mir den zeigt, kann er auf dem Computerbildschirm sogar die Länge der Lichtdimmung einsehen. Auch das Öffnen des Vorhangs wird von hier aus gesteuert. Ein weiterer Vorteil der Digitalprojektion ist, dass Filme, deren Rollen früher ans nächste Kino gingen, hier gespeichert werden können und auf diese Weise noch länger zeigbar wären. Und es besteht keine Feuergefahr mehr wie früher. Bei den ganz alten Kinos musste der Vorführraum immer zur Straße hin mit einem Fenster erreichbar sein – für die Feuerwehr. Schade ist natürlich, dass heute das tolle, ratterige Geräusch eines Projektors weg ist.
Im Westen gab’s den Zoo Palast
Das Kino International war wohl auch eine Antwort auf den Westberliner Zoo Palast, der bereits in den Fünfzigern gebaut wurde. Der wird Ende des Monats auch – nach umfangreichen Umbau- und Renovierungsarbeiten – endlich wiedereröffnet. Doch an die funkelnde, fast schwebende Eleganz des International kommt der schwere Zoo Palast nicht heran.