: Haus mit strahlenden Aussichten
Morgen wird das GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht 50. Wird dort heute zumeist harmlose Unterwasserforschung betrieben, stützte es sich anfangs auch auf glücklose NS-Atomwaffenbauer
von REIMAR PAUL
Mehr als 1.000 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind zum Buffet in die Hamburger Fischauktionshalle geladen. Seit fünf Jahrzehnten leiste man „wichtige Beiträge zur Lösung der Probleme von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft“, rühmt Professor Wolfgang Kaysser in der Einladung: 50-jähriges Bestehen feiert morgen das Forschungszentrum der „Gesellschaft zur Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt“ (GKSS) mit Sitz im schleswig-holsteinischen Geesthacht.
Mit 120 Millionen Euro jährlich wird das Zentrum vom Bund und den Ländern gefördert. Rund 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter forschen vor allem in den Bereichen Küstenschutz, Ressourcenschonung, Werkstoffe und Energieeinsparung. Das war nicht immer so: In den Anfangsjahrzehnten stand die Atomforschung im Mittelpunkt. GKSS-Wissenschaftler, die schon für Hitler an der Atombombe gebastelt hatten, werkelten als erste Westdeutsche mit Atomreaktoren herum.
Als eine von drei Einrichtungen in der Bundesrepublik wurde das Zentrum ab 1956 mit dem Ziel aufgebaut, Grundlagen- und angewandte Atomforschung zu betreiben, aber auch die atomtechnische Entwicklung industriell voranzubringen. Zu den Gründervätern der GKSS zählten die Professoren Erich Bagge und Kurt Diebner. Beide gehörten zu den deutschen Physikern, die erfolglos versucht hatten, für Hitler die Atombombe zu bauen. Diebner empfahl sich für eine Führungsposition bei der GKSS ausdrücklich unter Berufung auf seine frühere Funktion.
Protektion erfuhr die GKSS sowohl durch Atomminister Franz Josef Strauß (CSU) als auch durch den Leiter der Abteilung Seeschifffahrt im Bonner Verkehrsministerium, Karl Schubert. Der war Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium sowie – von 1923 bis 1930 – Angehöriger des berüchtigten „Freikorps Ehrhardt“ gewesen. Mit guten Verbindungen in Industrie und Staatsspitze errichteten die GKSS-Gründer so bis Ende der 50er Jahre ein ideales Geflecht für ein Forschungszentrum in der zivil-militärischen Grauzone der Atomenergienutzung.
Zuerst beschaffte man sich einen Forschungsreaktor. Der „Schwimmbadreaktor“ mit 5.000 Kilowatt Leistung wurde in den USA bezogen; Bagge und Diebner wollten nicht auf die Entwicklung eines eigenen Reaktors warten. Am 23. Oktober 1958 wurde in Geesthacht erstmals in Deutschland wieder eine atomare Kettenreaktion in Gang gesetzt.
Während das GKSS-Image nach außen vom Bau des atomgetriebenen Frachtschiffes „Otto Hahn“ geprägt war, forschten die Mitarbeiter an anderen Vorhaben: Sie bauten einen Neutronen-Chopper und ein Kristallspektrometer auf – Geräte, die untersuchen können, wieviel waffentaugliches Plutonium ein Brennelement enthält. 1963 ging ein zweiter Forschungsreaktor in Betrieb, 1964 erfolgte der Einstieg in die Brüterforschung.
In den 70er Jahren knüpfte die GKSS Fäden ins Ausland. Belegt sind unter anderem Verbindungen zur „Neue Technologien GmbH“ in Gelnhausen, die bei der Verbreitung von Tritium-Technik nach Pakistan und Indien mitmischte, sowie ins schweizerische Institut für Reaktorforschung in Würenlingen, wo entscheidende Voraussetzungen für die schweizer Atomwaffenforschung geschaffen wurden.
Ende der 80er Jahre liefen die nuklearen Aktivitäten in Geesthacht langsam aus. Parallel dazu wurden andere Forschungsbereiche aufgebaut, etwa in der Unterwasser- und der Umwelttechnik. Bis heute aber befindet sich auf dem GKSS-Gelände eine Sammelstelle für schwach aktiven Atommüll – und auch der erste Forschungsreaktor soll auf dem Areal vergraben liegen.