Körting ließ sich nicht erweichen

betr.: „Grüne scheitern an ihrer Retterrolle“, Kommentar von Alke Wierth, taz vom 6. 5. 06

Bündnis 90/Die Grünen haben versucht, die Abschiebung der Familie Aydin mit einem Antrag im Abgeordnetenhaus zu verhindern. Eine große Koalition von CDU und SPD stimmte jedoch dagegen, Innensenator Körting aufzufordern, den Aydins als Härtefälle eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die PDS stimmte uneinheitlich ab, mehrheitlich enthielt sie sich oder blieb der Abstimmung fern. Dafür tat sie anschließend so, als hätten die Grünen quasi die Abschiebung der Aydins beantragt. Und Alke Wierth hat’s offenbar geglaubt und wirft uns Profilierung auf Kosten der Aydins vor.

Keine Frage – der öffentliche Umgang mit Härtefällen ist ein sensibles Feld, in dem immer gut zu überlegen ist, welche gut gemeinten Schritte den Betroffenen mehr schaden als nützen könnten.

Im Fall Aydin war das für uns im Prinzip nicht anders, obwohl sich die Familie selbst längst an die Öffentlichkeit gewandt hatte. Die PDS zeigte mit einem offenen Brief an den Innensenator öffentliche Konfliktbereitschaft und gab damit zu verstehen, dass sie sich von der monatelangen rein diplomatischen Tour keine Erfolge mehr versprach. Einen „Integrationsvertrag“ schlug die PDS in dem offenen Brief vor, und Frau Wierth meint, dieser Vorschlag müsse auch den Grünen gefallen. Tut er, aber wer sich wie wir mit dem Fall schon länger, wenn auch im Stillen, beschäftigt hatte, der wusste, dass die UnterstützerInnen der Aydins dem Senat eine solche Vereinbarung schon vor einiger Zeit angeboten hatten. Ohne Erfolg. Körting ließ sich nicht erweichen. Was hätte eine verantwortungsbewusste Opposition in dieser Situation tun sollen, in der die Möglichkeiten hinter den Kulissen ausgereizt waren? Und nachdem der Vorsitzende des Petitionsausschusses dem Familienvater vorgeworfen hatte, PKK-Kämpfer zu sein? Durch diese unbewiesenen Vorwürfe ist die Familie im Fall einer Abschiebung ganz neuen Gefahren ausgesetzt. Ironischerweise sind damit Gründe für ein neues Asylverfahren entstanden. Hätten wir abwarten und erst dann protestieren sollen, wenn eine Abschiebung erfolgt ist?

Darauf wollten wir nicht warten und haben deshalb unseren Antrag im Abgeordnetenhaus gestellt. Die Bürgerinitiative für die Aydins war damit einverstanden und auch von anderen Engagierten erhielten wir dafür Zuspruch. Wir hatten gehofft, dass die SPD so viel Anstand besitzen würde, der Familie das neuerliche Asylverfahren zu ersparen. Und dass zumindest einigen CDU-Abgeordneten in namentlicher Abstimmung das „C“ in ihrem Parteinamen etwas bedeutet. Wir haben uns getäuscht. MATTHIAS TANG,

Pressesprecher, Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus

von Berlin

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.