: Mehr Einmischung
EU-PARLAMENT Abgeordnete debattieren: Wie lässt sich Europa wirtschaftspolitisch koordinieren?
Brüssel taz | Eigentlich stand gestern im Europaparlament die Frage auf der Tagesordnung, wie Europas Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden kann. Doch angesichts der Staatspleite bedrohter Mitgliedsländer und fallender Eurokurse debattierten die Abgeordneten lieber darüber, wie die Währung stabilisiert, der Finanzmarkt reguliert und Europa durch wirtschaftspolitische Koordinierung krisenfester gemacht werden kann.
Rat und Kommission forderten die Abgeordneten auf, rasch das geplante Paket zur Finanzmarktregulierung zu verabschieden. Die verwiesen darauf, dass sie seit Jahren strenge Regeln anmahnen und vom Rat gebremst werden. Der sozialdemokratische Finanzexperte Udo Bullmann fragte: „Warum war es nicht möglich, in einer konzertierten Aktion der Mitgliedstaaten die toxischen Produkte wie Leerverkäufe oder den Handel mit Kreditausfallversicherungen zu verbieten?“ Sein Fraktionskollege Martin Schulz sagte: „Wir reagieren immer zu spät. Wir regeln jetzt Hedgefonds, aber wann kommt die europäische Ratingagentur? Ist es normal, dass in dem Moment, wo Griechenland ruiniert ist, die Agenturen schon das nächste Ziel ansteuern und Portugal nach unten stufen?“
Der Tory-Abgeordnete Timothy Kirkhope wollte den Ruf nach mehr europäischer Einmischung nicht gelten lassen. Bei jeder Krise werde nach mehr EU verlangt – obwohl die Verträge schon jetzt enge haushaltspolitische Koordinierung und Sanktionen für Defizitsünder erlaubten. Strengere Maßnahmen nützten nichts, wenn sich keiner daran halte. Das Grundproblem sei, dass es in den Mitgliedstaaten gar keine einheitliche Position gebe, wie eine „Wirtschaftsregierung“ oder „Wirtschaftskoordinierung“ aussehen könnte.
Damit hat der Euroskeptiker einen wunden Punkt getroffen. Einigkeit gibt es in dieser Frage nicht einmal zwischen den Nachbarn Luxemburg und Deutschland. Während Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker nur die Eurozone enger vernetzen will, fordert Kanzlerin Merkel eine „Wirtschaftsregierung“ für die gesamte Europäische Union. Währungskommissar Olli Rehn beendete die Debatte mit einem Appell an die Abgeordneten, in ihren Wahlkreisen für eine europäische Wirtschaftsregierung zu werben. DANIELA WEINGÄRTNER