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Archiv-Artikel

Wiederentdeckte Gründerfigur

Für ihn und um ihn herum aufgebaut: Die aktuelle Ausstellung der Deutschen Guggenheim in Berlin, „Art of Tomorrow“, beleuchtet das künstlerische Schaffen von Hilla von Rebay, die für ihren Gönner Solomon R. Guggenheim eine der weltweit besten Sammlungen moderner Kunst zusammentrug

von BRIGITTE WERNEBURG

Frank Lloyd Wrights „Solomon R. Guggenheim Museum“ hat sie nie betreten. Dabei gestand ihr der Architekt, er habe das Museum „nur für Sie und um Sie herum gebaut“. Doch als der Bau, mit dessen Entwurf sie ihn 1944 beauftragt hatte, 1959 endlich eröffnet wurde, war Hilla von Rebay längst in Ungnade gefallen und ihrer Funktion als Kuratorin und Direktorin des bis dahin als „Museum of Non-Objective Painting“ genannten Projekts enthoben. Der Bauherr und Sammler, ihr Mäzen Solomon Guggenheim, war zu diesem Zeitpunkt schon zehn Jahre tot; auch der Architekt starb wenige Monate vor Eröffnung des von Rebay imaginierten „Tempels des Geistes“. Sie hatte von Frank Lloyd Wright „ein Denkmal“ gefordert, dessen Niveau das „Jahr 2000 überragend übersteht“, und er war ihrem Wunsch nachgekommen. Gegen den herrschenden Stil der Zeit hatte er keine schlichte Kiste, sondern eine Ikone gebaut, mehr eine Skulptur als ein Haus. Seine Spirale, kaum realisiert auch gleich ein New Yorker Wahrzeichen, blieb als Museumsbau lange Zeit ein singuläres Ereignis in der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Erst als das Guggenheim wieder einmal baute, dieses Mal in Bilbao, nahm Frank Gehry mit seiner spektakulären titanverzinkten Museumszuckung die Idee des Sammlungssolitärs wieder auf. Er eröffnete 1997 damit eine regelrechte Ära objekthafter Museumsbauten.

Wahrscheinlich lassen sich solche Anknüpfungen auch an anderen Stellen finden. Jetzt, da Hilla von Rebay und ihre Rolle für die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts und insbesondere ihr Engagement für die gegenstandslose Malerei nicht länger verdrängt und beiseite geschoben, sondern im Gegenteil mit einigem Ehrgeiz wiederentdeckt und gefeiert werden. Natürlich durch jene Institution, die es ohne sie nie gegeben hätte, die Solomon R. Guggenheim Foundation. Nach New York, München und Murnau sind ihre gegenständlichen und gegenstandslosen Aquarelle, Zeichnungen, Collagen und Ölgemälde jetzt in Berlin zu sehen, samt ihrem Portrait von Solomon R. Guggenheim, dessen Entstehung die Künstlerin und ihren künftigen Mäzen erstmals zusammenführte. Ergänzt wird diese Werkschau durch wichtige Werke von Jean Arp, Wassily Kandinsky, Hans Richter, Kurt Schwitters, László Moholy-Nagy, Paul Klee oder Ferdinand Léger, die Rebay und Guggenheim in den Jahren 1929 bis 1939 erwarben und die sie 1939 in der Eröffnungsausstellung „Art of Tomorrow“ des neu gegründeten „Museum of Non-Objective Painting“ der Öffentlichkeit präsentierten.

Wichtigster Künstler in Guggenheims damaliger Sammlung war der heute weitgehend vergessene Rudolf Bauer, ein Epigone Wassily Kandinskys – wie nun zu sehen – bis zum Nachvollzug von dessen später Vorliebe für scharf konturierte geometrische Formen. Hilla von Rebay freilich hielt ihren zeitweiligen Liebhaber für den bedeutenderen Künstler als Kandinsky. Bauer war ihr Verhängnis, und neben ihrer aufbrausenden Art, also ihrem Talent, sich Feinde zu machen, maßgeblich für ihren schlechten Ruf verantwortlich.

Trotzdem, die 1890 in Straßburg geborene höhere Tochter aus gutem Haus, die 1909 nach Paris ging, um an der privaten Académie Julian Kunst zu studieren, hat ihrem Mäzen zweifellos eine der besten Sammlungen abstrakter Kunst weltweit aufgebaut – die von Guggenheim ungeliebten Mondrians kauft sie eben selbst. Die Sammlung ist ein Ausdruck ihrer künstlerischen Praxis. Insidertum und ein profundes Kunstverständnis motivieren ihren mutigen Einsatz für die ungegenständliche Kunst; ihr Einfluss auf Guggenheim und die New Yorker Kunstszene ist enorm, nur vergleichbar mit dem von Alfred H. Barr, dem Gründungsdirektor des mit der Rockefeller Dynastie affilierten Museum of Modern Art. Sogar als die Abstraktion in Amerika längst durchgesetzt ist, kann Hilla von Rebay ihre Mission in Sachen gegenstandsloser Kunst noch einmal aufnehmen: In Deutschland, nach dem Krieg. Da allerdings ist diese Mission bereits keine mehr der Kunst, sondern eine der Politik. Rebay gerät in den Hintergrund. Als sie 1967 stirbt, ist sie vergessen.

1910, als Künstlerin in München, war ihr die dortige Avantgarde noch völlig entgangen. Erst Hans Arp, den sie 1915 in Zürich kennen lernt, macht sie mit dem Werk von Chagall, Kandinsky, Klee, Marc und dem Cabaret Voltaire bekannt. Sie nimmt an Dada-Ausstellungen teil und stellt in Berlin in Herwarth Waldens Galerie „Der Sturm“ aus. Nun beginnt auch sie abstrakte Collagen und Kompositionen herzustellen, die häufig musikalische Titel tragen. Auffällig dabei ist ihr besonderes Gespür für Farben, das auch schon in ihrer vorangegangenen Porträtmalerei zu erkennen ist.

Diese große Sensibilität für subtile Farbabstufungen und eine sehr viel weniger ausgeprägte Empfindung für eine entschiedene, spannungsvolle Aufteilung der Leinwand für die abstrakten Formelemente geben ihren Bildern einen oft ausgesprochen dekorativen Charakter. Rebay selbst schätzte das Dekorative tatsächlich als eine wertvolle Eigenschaft der gegenstandslosen Kunst. Mit am interessantesten erscheinen in der Ausstellung die Zeichnungen, die sie nach ihrer Übersiedlung 1927 nach New York in den Clubs in Harlem anfertigte. Ein Hauch Berlin, wohin sie 1913 gezogen war, ist zu spüren, in der fast karikaturhaften Expressivität der schwarzen Gesichter und Körper, die an ihre Aquarelle vom Ballet Russes von 1910, aber auch an Dix und Grosz erinnert. Vielleicht ist hier noch ein Anknüpfungspunkt zu finden, meint man doch, diese Expressivität könnte der afroamerikanischen Künstlerin Kara Walker mit einen kunsthistorischen Anlass zu ihren bösen Scherenschnitten geliefert haben.

Bis 10. August, Katalog 28,50 €