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Archiv-Artikel

Die Unbequeme stolpert

Ayaan Hirsi Ali, Kritikerin des Schmusekurses mit dem Islamismus, ist unter Beschuss: Wegen eines falschen Asylantrags droht ihr nun die Aberkennung der niederländischen Staatsbürgerschaft

VON JAN FEDDERSEN

Noch am Wochenende trat sie – wie immer als Kronzeugin in eigener Sache – in Hamburg auf, bei der Verleihung des Henri-Nannen-Preises. Dort sagte Hirsi Ayaan Ali: „Ich bin hier, um das Recht zu verteidigen, beleidigen zu dürfen.“ Ein im westlichen Kontext eigentlich banaler Satz, aber bei der gebürtigen Somalierin ist dies immer auf den multikulturellen Diskurs gemünzt, darauf, dass die islamistische Kultur nicht relativiert gehört. Nicht Zwangsheirat, nicht die Beschneidung von Frauen, nicht die Ermordung von Ungläubigen wie Theo van Goghs, mit dem sie gut befreundet war und dem sie traute. Hirsi Ali, 36, ist keine Schmusedame, die vor lauter Stolz auf westliche Säkularität lieber „Dialog“ sagt, um am besten nicht miteinander in Streit zu geraten.

Ihre ätzende, bisweilen beleidigende Kritik an den grünalternativ-roten Mainstreams ihres Landes, die Migranten so lange lieben, wie sie hübsche Musik machen und mit feinen Nahrungsmitteln die europäischen Speisekarten bereichern, aber lieber schweigen bei patriarchal begründeten Sitten und Gebräuchen, hat ihr viele Feindschaften eingetragen. Wie auch aus den muslimischen Communities, denen sie als selbstbewusste Nervensäge erschien.

Und jene, die sie hassen, werden ab sofort abfällig spotten: Hirsi Ali hat bei ihrer Einwanderung in die Niederlande geschummelt. Das ist zwar eine Trivialität, denn kein Beamter in irgendwelchen Migrationsbehörden geht davon aus, dass irgendeine Angabe in den Asylanträgen zutreffend ist. Nicht, wie von ihr behauptet, kam sie vor 14 Jahren über Somalia ins Polderland. Vielmehr hatte sie längst einen gesicherten Asylstatus in Kenia, außerdem war sie nach Amsterdam über Deutschland gereist. EU-Recht zufolge hätte sie niemals in ihrer neuen Heimat ansässig werden dürfen, sondern eben in der Bundesrepublik, einem sicheren Drittland.

Die Lüge war bekannt

Heraus kam diese migrationelle Unpässlichkeit nun über eine TV-Dokumentation – doch zu Recht sagt die Blamierte, sie habe vor vier Jahren eingeräumt, dass ihr Weg aus dem kriegserodiertem Somalia nicht so glatt gegangen sei. Wobei man hier sofort die Bemerkung anschließen muss, dass Hirsi Ali wie Millionen anderer Migranten jeden Weg ging, um in den Westen zu gelangen. Darunter: Einbahnstraßen, Sackgassen, Hauptstraßen – und jedes Mittel war und ist recht, denn es geht ja um Leben, nicht um eine gute Note im Benehmen.

Nun heißt es, sie sei gar nicht aus politischen Gründen geflohen, sondern aus ökonomischen. Und das soll plötzlich anstößig sein? 90 Prozent aller Migrationsversuche nach Europa sind wirtschaftlich motiviert: Dass sie sich auf den moralisch hübscheren Dreh des Asyls verlegten, war den Einwanderungsgesetzen geschuldet, nicht ihren Absichten. In die Bundesrepublik durfte nur, wer zur Familie zog (Frauen, Eltern, Kinder) oder politisch verfolgt war. Dass der Westen wirtschaftlich wie rechtlich eine Sehnsuchtslandschaft darstellt, kann man Tag für Tag an den Grenzen Europas hören: Asyl ist die Eintrittskarte, die Einwanderung möglich macht – nicht das Ansinnen, sich gesellschaftlich hoch zu schuften. Wer schon an Osteuropas Landgrenze, an Spaniens Mittelmeerküste oder auf europäischen Flughäfen sagt, er oder sie wolle arbeiten, um besser leben zu können, hat schon verloren. Ayaan Hirsi Ali hat dies gewusst – und Millionen andere auch.

Dass Ayaan Hirsi Ali nun über jene Gesetze stolpert, denen sie als Abgeordnete der rechtsliberalen Partei VVD so krass den Wortlaut redete, macht die Sache freilich richtig pikant. Hirsi Alis Parteifreundin Rita Verdonk, selbst eine Politikerin, die mit den laschen Erbschaften des Multikulti-Ideengefüges nichts anfangen will, verweist darauf, dass die Staatsangehörigkeit ihrer Parteifreundin nun hinfällig sei.

Laut, aber nicht lieb

Möglich, dass diese Enthüllung nun dazu führt, dass Ayaan Hirsi Ali es komplizierter haben wird. Sie wollte ohnehin in die USA auswandern, dort ohne Polizeischutz leben, weniger angefeindet – und seltener umgeben von Menschen, die ihr übel nehmen, lautstark und polemisch nicht die liebe, sensible Migrantin zu geben – sondern die Frau, die Kritik übte an Zuständen, denen sie entflohen war: ohne Rücksicht auf Takt und Ton des Antirassismusdiskurses.