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Archiv-Artikel

Die Todesstrafe für Saddam ist absehbar

Im Prozess gegen den ehemaligen irakischen Diktator stehen jetzt die Zeugen der Verteidigung in Bagdad vor Gericht. Die Anklageschrift spricht im Falle der Gewalt gegen Schiiten im Dorf Dudschail von Verbrechen gegen die Menschlichkeit

AUS ERBIL INGA ROGG

Mit der Anhörung von Zeugen der Verteidigung ist gestern in Bagdad der Prozess gegen Saddam Hussein und sieben weitere Angeklagte fortgesetzt worden. Gehört wurden Entlastungszeugen für die drei ehemaligen Kader der Baath-Partei, Abdulla Kadhim al-Ruaid, seinen Sohn Mitzhar sowie Mohammed Asawi. Dabei sagte ein Bruder von Mitzhar aus, keiner der drei Angeklagten sei an der brutalen Razzia von Sicherheitskräften in dem schiitischen Ort Dudschail nach einem gescheiterten Attentat auf Saddam vor knapp 24 Jahren beteiligt gewesen.

Saddam Hussein selbst wurde gestern nicht in den Gerichtssaal gerufen. Am Montag hatte der Vorsitzende Richter Rauf Raschid Abdulrahman die Anklageschrift gegen den früheren Despoten und seine Mitangeklagten verlesen. Die extremen Gewaltmaßnahmen gegen die Schiiten in Dudschail seien ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagte Abdulrahman. Damit schloss sich das fünfköpfige Richtergremium weitgehend der Anklage an. Im Einzelnen werden den Angeklagten die rechtswidrige Festnahme und Folter von 399 Personen, neunfacher Mord während der Razzia in den ersten beiden Tagen und die Hinrichtung von 148 angeblichen Umstürzlern, unter ihnen 32 Minderjährige, zur Last gelegt.

Die von den Angeklagten und der Verteidigung vorgebrachte Behauptung, das Regime habe dabei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gehandelt, quittierte Abdulrahman mit dem Hinweis auf Dokumente aus dessen eigenen Archiven. Demnach hatte keiner der Todeskandidaten die Möglichkeit, Berufung einzulegen. „In der Präsidialorder Nr. 778 vom Juni 1984 haben Sie die Todesurteile sofort in Kraft gesetzt“, sagte Abdulrahman an die Adresse von Saddam Hussein.

Während die Richter den Exdiktator und dessen Halbbruder Barsan sowie den früheren Saddam-Vize Taha Jassin Ramadan für das Massaker direkt verantwortlich macht, wirft es dem damaligen Chef des Revolutionsgerichtshofs mit der Verhängung der Todesurteile schwerwiegende Rechtsbeugung vor. Den vier weiteren Angeklagten wird die Denunzierung der späteren Opfer zur Last gelegt. Damit hätten sie sich an dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt, befanden die Richter.

Im Grunde genommen steht damit auch bereits das Strafmaß fest: die Todesstrafe. Gemäß dem irakischen Recht, das den Statuten des Sondertribunals zugrunde liegt, stehen die Anklagepunkte nicht zu Beginn eines Verfahrens fest. Vielmehr werden zuerst die Kläger gehört, anschließt beurteilen die Richter die Beweismittel und legen die Anklagepunkte fest. Danach ist die Verteidigung am Zug, die das Gericht von der Unschuld ihrer Mandaten überzeugen muss. Die Anwälte haben angekündigt, dass sie bis zu 60 Entlastungszeugen aufbieten wollen. Mit einer Urteilsvollstreckung ist so bald nicht zu rechnen. Denn die Ermittler haben eine weitere Klage eingereicht – demnächst sollen Saddam und seine Schergen wegen des Massenmordes an den Kurden im Jahr 1988 vor Gericht gestellt werden.